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Die Rose von Byzanz

Die Rose von Byzanz

Titel: Die Rose von Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Gordon
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erwarten konnte, wenn sie wachlag und seinem rasselnden Atem lauschte.
    „Lass gut sein, Liebes.“ Er streckte die Hand nach ihr aus, und sie ergriff sie. Manchmal ekelte es sie, wie er nach Krankheit stank, es ekelte sie, seine pergamentdünne gelbliche Haut zu berühren. Seit Monaten hatte er dieses Zimmer nicht verlassen, und sie ahnte, dass er es erst verlassen würde, sobald die Krankheit seinen einst so starken Körper besiegt hatte.
    „Ich lasse dir Suppe bringen“, würgte sie hervor und floh aus dem Zimmer.
    Was war nur aus dem stolzen, fröhlichen Krieger geworden, der durch den Handel in Kiew einen großen Schatz angehäuft hatte? Wie konnte es etwas geben, das ihn so dahinsiechen ließ?
    Früher war Hallgrim so stattlich gewesen, und Freya hatte sich geehrt gefühlt, als er um sie freite. Nicht nur geehrt, sondern auch glücklich, denn sein Angebot ersparte ihr, dem Herzen zu folgen und einen armen Schlucker zu heiraten. Er war ihr ein guter Mann, verwöhnte sie, und sie hatte es auch irgendwann zu schätzen gelernt, in seinen Armen zu liegen, auch wenn sie allzu oft, sobald sie die Augen schloss, nicht sein bärtiges Gesicht mit den strahlend blauen Augen vor sich sah, nicht seine dicke Nase, das weiche braune Haar und die buschigen Augenbrauen, sondern ein anderes Gesicht, umrahmt von blondem Haar, dominiert von braunen Augen und einem Mund mit vollen Lippen, der sie immer so unwiderstehlich angelächelt hatte, dass die Zähne weiß aufblitzten wie das Elfenbein seiner Spielwürfel.
    Eirik. Der arme Schlucker früherer Tage, den sie einst liebte. Doch Liebe vermochte sie nicht darüber hinwegzutäuschen, dass sie an seiner Seite das Leben einer armen Frau geführt hätte, karg und nur mit der vagen Hoffnung, eines Tages mit ihm nach Uppsala zurückzukehren. Warum nur war er so uneinsichtig und wollte zuerst sein Glück in der Fremde machen, statt sich auf dem Hof seines Vaters auf die Aufgabe vorzubereiten, diesen zu übernehmen? Sie kannte den Hof, kannte Eiriks Familie, und ja, sie wusste, dieser Mann hatte es nicht nötig, in Kiew um das Überleben zu kämpfen. Sein Freund Hallgrim machte ihm vor, wie es ging; er hatte sich erst durch Handelsfahrten gen Süden bereichert, ehe er sich in Kiew niederließ und Handel trieb, nicht nur nach Nord und Süd über die Wasserstraßen, sondern auch gen Westen bis nach Venedig und Regensburg reichten seine Verbindungen, und das gehackte Silber in seinen Truhen gab ihm recht. Er war ein reicher Mann.
    Er war ihr Mann, und sie wollte ihn lieben.
    Eine Zeit lang war es ihr gelungen. Doch dann wurde er immer müder, wurde krank und legte sich zu Bett.
    War es da nicht ein Wink des Schicksals, dass in diese schwere Zeit die Nachricht nach Kiew gelangte, Eirik Hallgrimsson sei auf dem Weg hierher?
    Vielleicht war das ihre zweite Chance. Bei den Göttern, dieses Mal wollte sie es nicht vermasseln. Schon bald wäre sie eine reiche Frau, dann konnte sie auch einen armen Schlucker heiraten und hätte nichts auszustehen.
    Sie eilte die Stiege hinab. Astrid wartete bereits auf sie, einen Korb über dem Arm, Freyas Mantel darübergelegt. Stumm reichte sie Freya den Mantel und folgte ihr in die herbstliche Kälte.
    Alle Worte waren nur noch in ihrem Kopf. Keines drang über ihre Lippen, auch wenn sie manches Mal all ihren Mut zusammennahm und es versuchte. Doch in ihrem Kopf herrschte ein wildes Durcheinander aus Bildern und Worten, drei Sprachen vermischten sich zu einer, und manchmal glaubte sie, der Wahnsinn habe sie gepackt.
    Manchmal ergab sie sich ihm einfach.
    Johanna hockte Tag um Tag im Bug und hielt die Augen geschlossen. Vorbei die Zeit, dass sie die Nordmänner bei ihrer Arbeit beobachtete. Vorbei die Neugier. Vorbei die Wut. In jener Nacht, als sie den schützenden Panzer ablegte und sich vor Eirik vollständig nackt fühlte – nackter als sie es sein könnte, wenn sie sich aller Kleidung entledigte –, hatte sie mit ansehen müssen, wie er Waräger mit seinem Schwert niederschlug. Wie er voller Zorn schrie. Wütete. Wie ein Berserker fuhr er unter die Feinde und vertrieb sie.
    Und sie, die ihm gefolgt war, weil sie seine hastig hervorgestoßenen nordischen Worte nicht verstand – und weil sie nicht ertrug, im Dunkel unter der Trauerweide allein zu sein –, sah alles mit an. Sah das Blut schwarz von seinem Schwert tropfen.
    In diesem Moment waren ihr die Worte abhandengekommen. Sie wollte etwas sagen – oh, sie wollte vieles sagen –, aber stattdessen

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