Die Rose von Byzanz
dunkler war als bei anderen Menschen? Die Augen, die sich auf einen bestimmten Punkt richteten und nicht von ihm ließen?
Johanna folgte dem Blick der Fremden.
Sie schaute Eirik an.
Eirik. Eirik, Eirik, Eirik.
Sie durfte seinen Namen nicht vergessen. Sie musste ihn aussprechen, dass sie ihn nicht vergaß. Eirik. Er kümmerte sich um sie. Aber kein Wunder, dass er sich so sehr auf Kiew freute. Hier wartete bereits eine Frau auf ihn.
Der schlimme Verdacht bestätigte sich, sobald das Drachenboot sanft an den Steg stieß und die Männer über die Wandung sprangen, um es festzumachen. Die Frau bahnte sich einen Weg durch die Menge, dicht gefolgt von einer kleinen, pummeligen Blonden, die einen großen Korb trug. Vor allen anderen erreichte die Frau Eirik. Er wandte ihr den Rücken zu, doch als sie ihn sanft am Ärmel zupfte, drehte er sich zu ihr um.
Er lächelte. Nein: Er strahlte . Dann beugte er sich zu ihr hinab, küsste sie sanft auf die Wange und ergriff zugleich ihre Hand.
Johanna schloss die Augen. Sie lauschte, versuchte seine Stimme im Gewirr auszumachen, doch alles, was sie hörte, war die glockenhelle Stimme der dunklen Frau, die in ihrem roten Kleid so viel prachtvoller aussah, als Johanna es je vermochte. In der Sprache der Nordmänner redete sie auf Eirik ein. Und dann seine Antwort. Seine dunkle ruhige Stimme.
Johanna hieb die Faust in die Wandung. Hieb hinein, hoffte sich einen dicken Splitter in einen Finger zu treiben, der eiterte und schmerzte.
Darum hatte Eirik sich auf Kiew gefreut.
Er hatte bereits eine Frau.
Eiriks Lächeln wirkte müde, aber das lag bestimmt an der langen Reise, die hinter ihm lag. „Du siehst gut aus“, bemerkte Freya daher ganz gelassen, hob ihre Hand und legte sie an seine Wange. Seine Bartstoppeln kratzten.
„Du bist eine miserable Lügnerin“, erwiderte er. Auch seine Stimme klang erschöpft, und sie hörte etwas heraus, das sie erstaunte und etwas entsetzte – er sprach nicht mehr das Nordische der Svea, sondern hart wie ein Waräger. Dennoch war es Eirik – sie erkannte ihn an seinen moorbraunen Augen und dem wissenden Blick, mit dem er sie nun maß. „Aber die Schönheit haben dir die Jahre nicht genommen“, fügte er hinzu.
Sie fühlte sich von seinen Worten geschmeichelt. „Alter Weiberheld“, neckte sie ihn. Seine Miene verfinsterte sich. Wenn man ihn nicht kannte, bemerkte man es wohl nicht, aber sie kannte ihn allzu gut. Ihr konnte er nichts vormachen.
„Habe ich etwas Falsches gesagt?“
Er atmete tief durch. Seine Hand packte ihren Arm. Schmerzhaft, sie keuchte überrascht auf. Sein Gesicht war ihrem plötzlich ganz nah. „Können wir bei euch unterkommen? Weiß Hallgrim, dass wir kommen?“, fragte er. Etwas Dringliches, Gehetztes lag in seiner Stimme.
„Wir bereiten für dich, Oluf und seine Männer Kammern vor. Hallgrim möchte, dass du im Winter bei uns wohnst. Und ich wünsche es auch. Es ist wohl das Letzte, was du für ihn tun kannst“, fügte sie hinzu.
Seine Augen wurden schmal. „Was soll das heißen?“
„Das heißt, dass dein Freund Hallgrim auf dem Sterbebett liegt. Er ist zäh, die Heilkundigen, die ich zu uns rufe, wundern sich immer wieder, dass er sich so kraftvoll an das bisschen Leben klammert, das ihm noch geblieben ist. Er stirbt, Eirik.“ Ihre Stimme brach, Tränen brannten in ihren Augen. Sie gab sich nicht die Mühe, sie fortzuwischen. Sollte Eirik ihre Trauer sehen, das machte es ihr vielleicht einfacher, den Plan umzusetzen, der in ihr heranreifte.
„Er stirbt …“ Eirik ließ sie los. Er wirkte nachdenklich.
„Komm, lass uns heimgehen.“ Sie zupfte ihn am Ärmel, als er sich nicht rührte.
„Nein, das geht nicht, ich muss …“ Die Hand fuhr über sein Gesicht. „Ich muss mich um Johanna kümmern.“
Hatte sie das gerade richtig verstanden? Ihr Götter, bitte nicht, flehte sie, ehe sie möglichst beiläufig fragte: „Wer ist diese Johanna?“
„Niemand Besonderes, sie …“ Er drehte sich um, blickte zum Schiff hinauf. „Warte hier. Ich komme sofort wieder.“
Sie beobachtete, wie er die Planke hinauftänzelte, die als Landesteg ausgezogen worden war. Er verschwand an Bord des Schiffes, flankte behände über die Wandung und ging zum Bug, wo sein blonder Schopf verschwand, als er sich bückte.
Er hat ein Weib an seiner Seite? Nein, ihr Götter, das darf nicht sein. Er soll mich endlich heim nach Uppsala bringen …
Es dauerte, bis er wieder auftauchte. Ein Bündel auf den Armen, das
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