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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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Georg V. Er hat viele Kundinnen aus bester Gesellschaft, die Ihnen das bestätigen könnten. Zum Beispiel Miss Whitewater aus Geestra Valley oder Mrs Faith, die Frau von Major Faith.«
    Der Diensthabende versprach, um sie loszuwerden, dass er den Fall prüfen werde.
    Am nächsten Morgen sah Aashmi, dass die Plombe von der Geschäftstür entfernt worden war. Sie rannte über die Straße, wobei sie beinahe von einem Pferdefuhrwerk angefahren worden wäre, und riss die Tür auf. Die vertraute Klingel klang in ihren Ohren schöner als Harfenmusik! Dann erschrak sie. Vor den Regalen mit den Stoffballen stand Mr Singh. Er stützte sich mühsam an seinem Verkaufstresen ab. Der Schneider war übel zugerichtet, ein Auge glänzte rot zugeschwollen, an den Rändern war es dunkel unterlaufen. Er schien seit Tagen nichts gegessen zu haben. Dennoch lächelte er, als er sie sah: Aashmi flutete den Raum mit Licht.
    »Lass uns heiraten«, sagte er statt einer Begrüßung.
    »Ja, Mr Singh! Das ist eine gute Idee«, gab Aashmi zurück. Sie kam näher. »Allerdings werden meine Eltern es nicht erlauben.«
    Vorsichtig nahm sie seine Hand und führte ihn zu einem Stuhl. Dann schloss sie den Laden von innen ab.
    Mr Singh seufzte tief. »Ich tauge nicht zum Helden«, sagte er. »Ich kann die Gewaltlosigkeit nicht durchhalten. Mein Auge ist kaputt, weil ich mich gewehrt habe. Es war ein Reflex.«
    Aashmi nickte stolz. Viele Männer ihres Volkes kämpften als Gurgha-Soldaten, wurden gerühmt für ihre Tapferkeit. Obwohl sie Gandhi verehrte, war es ihr immer schwergefallen, einen Mann zu bewundern, der stillhielt, wenn andere ihn schlugen.
    Sanft zog Mr Singh Aashmi auf seinen Schoß. »Weißt du, ich hab ein für allemal genug von Politik. Diese Woche im Gefängnis hat mir gereicht. Sie haben mich zwar entlassen, und ich weiß, das habe ich dir zu verdanken, aber sie stellen mich vielleicht bald vor Gericht.« Er machte sich keine Illusionen mehr. »Dann werden sie mich schuldig sprechen. Es gibt Zeugen, die unter der Folter gegen mich ausgesagt haben. Und anschließend werden sie mein Geschäft schließen. Lass uns irgendwo hingehen und ganz neu anfangen.«
    »Wir gehören unterschiedlichen Kasten an, wir beten zu verschiedenen Göttern, wir haben kein Geld.« Nüchtern zählte Aashmi die Hindernisse auf, die sich ihnen in den Weg stellen würden.
    Mr Singh grinste, und weil sein Auge dabei schmerzte, zuckte er zusammen.
    Er legte kurz seine Stirn an ihre Schulter. Dann richtete er sich wieder auf. »Wer hat gesagt, dass es einfach wird?«

Ammerland
    Juli bis September 1930
    Carl verfolgte die Geschehnisse in Indien aufmerksam in der deutschen Presse. Die Unruhen endeten nicht, obwohl Gandhi im Gefängnis saß. Mit Demonstrationen und Generalstreiks protestierten Inder aus allen Provinzen gegen die Kolonialherren.
    Immer wieder überlegte Carl, wie er Kathryn doch noch für sich gewinnen könnte. Sein Herz fühlte sich wund an. Sie mussten sich wiedersehen. Ganz tief in seinem Innern fühlte er die Gewissheit, dass sie sich in diesem Leben noch einmal begegnen würden. Aber er war kein Mann, der schmachtende Liebesbriefe schrieb. Und sie hatte sich klar geäußert. Das musste er respektieren. Außerdem wollte er sich nicht lächerlich machen. Und er konnte momentan nicht helfen, das finanzielle Problem von Geestra Valley zu lösen.
    Die wirtschaftliche Lage zu Hause entwickelte sich katastrophal. Die Holländer boten Rhododendren deutlich billiger an als sie. Die Arbeitslosigkeit stieg, Menschen hungerten, Kommunisten und Nationalsozialisten lieferten sich Saalschlachten. Carls Eltern ließen ihn spüren, dass die Indienreise viel Geld gekostet und sich nun gefälligst bald zu rentieren habe. Seine Mutter war sich nicht zu schade, beim Umtopfen oder Füttern der Arbeitspferde zu helfen, ihre ergrauten Haare trug sie noch immer mit der Brennschere gewellt zu einem tiefen Umschlagknoten gesteckt, sie wirkte stets wie eine Dame. Früher hatten sie für alles Hilfskräfte gehabt, jetzt packte jeder überall mit an. Sogar seine kleine verwöhnte Schwester ging stundenweise in den Verkauf.
    Neben seiner regulären Arbeit in der Baumschule beschäftigte Carl sich abends und am Wochenende mit der Vermehrung und Züchtung von Rhododendren. Nur knapp die Hälfte der Reiser und Jungpflanzen hatte die Schiffspassage überstanden – zum Glück lebten die Wildarten, von denen er sich am meisten versprach. Einige vermehrte er durch Stecklinge, was aber

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