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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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Außerdem konnte sie fechten, Auto fahren und nahm bei einem verarmten russischen Baron Tennisstunden. Ihre Haut war bronziert mit einem Spezialöl.
    »Wonach duften Sie, schönes Fräulein?«, fragte Gustav bei ihrem ersten Tanz, einem Foxtrott.
    »›Le Sein‹ von Jean Patou«, antwortete der Chiffontraum in seinen Armen und zitierte leicht spöttisch den Werbeslogan. »Das Freiluftparfum, das Parfum sportlicher Kameradschaft.«
    »Genau mein Geschmack!« Er schenkte ihr sein charmantestes Lächeln.
    Sie verliebte sich in die hochgezogenen Augenbrauen und in das Himalaya-Bombay-Odeur, das den vielversprechenden Teegroßhändler umgab.
    »Der junge Mann hat Biss«, sagte auch ihr Vater nach der ersten Begegnung. »Der will hoch hinaus.«
    Ivy war in den Zwanzigern als typisches Flapper-Girl durch Berlin getanzt: ein bisschen verrucht, mit tiefschwarz gefärbtem Gar ç on-Haarschnitt, geschminkten und hell gepuderten Knien – aber am Ende doch sehr behütet und konservativ, wenn es um die Wahrung ihrer Privilegien ging. Die Wirtschaftskrise vermieste ihr inzwischen den Spaß. Das Elend der Metropole ödete Ivy an. Sie fühlte sich reif für ein solides Leben in einer ostfriesischen Kleinstadt.
    »Aber natürlich musst du dahin«, sagte Carls Mutter, »nach allem, was ihr zusammen erlebt habt.«
    Carl wollte eigentlich absagen, aber dann reiste er doch zur Hochzeit von Gustav und Ivy, die im Spätherbst in Berlin gefeiert wurde – nur wenige Wochen, nachdem es bei den deutschen Reichstagswahlen einen Rechtsruck gegeben hatte, der das westliche Ausland schockte. Die antidemokratischen Nationalsozialisten galten als große Gewinner dieser Wahl. Im Landkreis Ammerland hatten sie es sogar auf knapp sechzig Prozent gebracht. Carl hielt viele für ungehobelte Dummköpfe, aber er fand gut, dass sie sich für höhere Zölle der holländischen Konkurrenz einsetzen wollten.
    Während der Zugfahrt in die Reichshauptstadt kam er mit einem gebildet aussehenden älteren Herrn ins Gespräch, der ihn warnte. »Das war jetzt für lange Zeit die letzte demokratische Wahl in Deutschland.«
    Da Carl allein kam, hatte man ihm eine Freundin Ivys als Tischdame zugewiesen. Sie sah hübsch aus, ging ihm allerdings mit ihrem Geplapper über die Filmstars von Babelsberg gewaltig auf die Nerven. Nie hatte Carl sich weniger auf einer Hochzeit amüsiert.
    Die Stimmung im Lande befand sich in einem epochalen Umbruch, das spürte er auch an diesem Abend.
    Das Brautpaar ging zwischen den Tänzen von Tisch zu Tisch, um mit jedem Gast ein paar persönliche Worte zu wechseln.
    »Schon gesehen?«, fragte Gustav Carl mit einem kräftigen Schlag auf die Schulter.
    »Was gesehen?«
    »Das Fell des Schneeleoparden, den ich in Darjeeling erlegt habe. Liegt auf dem Geschenketisch.«
    »Ach, wirklich?« Carl drehte sich mit suchendem Blick um.
    Da sah er es: angeberisch ausgebreitet, samt aufgerissenem Maul. Ivy himmelte ihren Großwildjäger an.
    »Ist ja großartig.«
    »Das Hochzeitsgeschenk vom alten Whitewater. Es geht ihnen wieder gut …«
    Gustav machte eine kleine Pause. Er genoss das Wissen, das er Carl aufgrund seiner geschäftlichen Korrespondenz mit Geestra Valley voraushatte. Aber Carl tat ihm nicht den Gefallen, sich nach Kathryn zu erkundigen. Also verkündete Gustav auch ohne Aufforderung: »Die neue Lady Taintsworth ist übrigens schon guter Hoffnung.«
    Carl brauchte mehrere Schrecksekunden, bis er sich wieder fing, dann wiederholte er nur: »Ist ja großartig.« Ebenso gut hätte Gustav ihm ein Messer zwischen die Rippen stechen können.
    Am liebsten hätte Carl sich besinnungslos betrunken, doch in dieser Runde wollte er sich keine Blöße geben. Der Vater der Braut gehörte der Zentrumspartei an, der bürgerlichen Mitte, der auch Carls Familie seit langem nahestand. An der Festtafel saßen aber auch einige Gäste in NS -Uniform, die zu später Stunde laute Kampflieder anstimmten. Und Gustav stieß fröhlich mit seinen neuen Freunden an.
    Carl nutzte den Berlin-Aufenthalt noch, um neue Kontakte zu Großabnehmern ihrer Baumschulerzeugnisse zu knüpfen. Er schaute sich auch in verschiedenen Parks um. Besonders interessierte er sich für die Rhododendren, die Otto Schulz, der Gärtner der Königlichen Porzellan Manufaktur KPM mehr als vierzig Jahre zuvor gezüchtet hatte. Die Porzellanmaler liebten es damals, Blüten in einem neuen weichen und sehr plastisch wirkenden Stil auf dem weißen Gold zu verewigen. Gerne ließen sie sich von den

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