Die Rose von Darjeeling - Roman
Stammhaus?«
»Es reicht, wenn ich ein- bis zweimal pro Woche hier bin. Die Zugverbindungen von Bremen hierher sind ausgezeichnet. Da kann ich während der Fahrt noch arbeiten. Ansonsten wird meine Verbandsarbeit in Bremen sicher zunehmen. Und ich bin dann auch näher an Berlin. Was macht bei dir die Arbeit?«
Carl berichtete vom Stand seiner Rhododendronzucht. »Die ersten Erfolge sind da, wir haben dieses Jahr eine Silbermedaille und zwei Bronzemedaillen gewonnen. Seit zwei Jahren geht’s aufwärts, wie überall. Die Städte investieren wieder in ihre Grünflächen, die Deutschen bauen wieder Häuser, die Lust zur Gartenbetätigung steigt deutlich. Wir können uns nicht beklagen.«
»Reitest du eigentlich noch Dressur?«
»Nur hin und wieder, aber keine Wettbewerbe mehr. Dafür fehlt die Zeit mit Betrieb, Frau und zwei Kindern …«
»Ja, wem sagst du das? Wenn unser neues Haus fertig ist, will ich unbedingt Rhododendren von dir für den Garten haben.«
»Sehr gern! Kommt vorbei und sucht euch was aus. Ihr habt die freie Auswahl.«
Gustav nickte dankend und hob sein Cognacglas. »Auf dein Wohl!« Genüsslich blies er Ringe in die Luft. »Sie haben eine Tibet-Forschungsstelle gegründet«, fuhr er zu plaudern fort und schenkte nach. »Wusstest du das? In einer Forschungs- und Lehrgemeinschaft, die sich ›Das Ahnenerbe‹ nennt. Himmler persönlich ist der Kurator.«
»Reichsführer- SS Heinrich Himmler?«
»Genau der. Dieser Verein hat mich kürzlich angeschrieben. Wir sollen von unseren Erfahrungen in Sikkim berichten.«
»Mich haben sie nicht angeschrieben.« Carl nahm an, dass Gustav sich bei den Parteigenossen durch seine Abenteuergeschichten selbst ins Gespräch gebracht hatte.
»Man vermutet den Ursprung der arischen Rasse in der Region in und um Tibet. Sag mal, du hast doch damals Fotos gemacht …«
Normalerweise trank Carl vormittags keinen Alkohol. Vielleicht deshalb reagierte er impulsiver als es sonst seine Art gewesen wäre.
»Mensch Gustav, was soll so was wohl? Merkst du nicht, dass das Verbrecher sind?«
»Du solltest besser auf deine Wortwahl achten.«
»Sie vermessen Gesichter, Nasen, Stirnhöhe und Kinnbreite, als wären Menschen Tiere. So ein Blödsinn – was sagt das aus? Oder warum dürfte ich nach diesen Nürnberger Gesetzen niemanden heiraten, der …«
Gustav fiel ihm ins Wort. »Aber gerade du als Züchter, du müssest das doch verstehen! Das Erbgut …«
Jetzt ließ Carl Gustav nicht ausreden. »Der Unterschied, mein Lieber, ist der, dass Menschen eine Seele haben. Eine Seele kann man nicht züchten, sie ist ein Geschenk! Sie kann in jeder äußerlichen Hülle existieren. Gut und Böse sind eine Frage des Gewissens, nicht der Abstammung. Darum sagt das Äußere nichts über den inneren Wert aus! Und abgesehen davon«, Carl sah seinen früheren Freund eindringlich an, »können Menschen sich ändern.«
In Gustavs Augen flackerte kurz Unsicherheit auf. Carl witterte die Bereitschaft für ein echtes Gespräch. Früher hatten sie nächtelang diskutiert.
»Gustav«, er klang nun milder gestimmt, »du hast dich da in was verrannt. Ich weiß, du willst das Gute. Aber du unterstützt das Böse.«
Als falle ein Vorhang, nahmen Gustavs braune Augen wieder einen entschlossenen Ausdruck an. »Wo gehobelt wird, da fallen Späne«, erwiderte er in zackigem Ton. »Wegen der Erinnerung an schöne gemeinsame Zeiten will ich diesmal nichts weitergeben – und deinen alten Herrn aus dieser Sache raushauen … Ich denke, mit fünf ausgewachsenen Ammerländer Eichen, die ihr vor der Zentrale der Gauleitung Weser-Ems einpflanzt, wird es erledigt sein. Aber ich warne dich …«
Carl versuchte noch einmal, an Gustavs Gewissen zu appellieren. »Wie sie die Juden ausgrenzen und zu Untermenschen erklären, findest du das in Ordnung?«
»Bei uns leben kaum Juden, ich kenne nur ein paar schlitzohrige Pferdehändler. Die werden umgesiedelt in den Osten. Rücksicht bedeutet Schwäche, das schadet dem Volk. Der Führer weiß schon, was er tut.«
Carl schüttelte den Kopf. »Du bist verblendet.«
Gustav sprach nur noch in Parolen. Wahrscheinlich dachte er auch nur noch in Parolen. Wo blieben Herz und Verstand? Am liebsten hätte er Gustav noch ganz andere Sachen an den Kopf geworfen. Doch er wollte die Rettung seines Vaters nicht gefährden.
Eine Weile sprach keiner von ihnen. Unangenehm laut erfüllte nun das Ticktack der alten friesischen Languhr den Raum. Das dunkle Eichengehäuse mit den
Weitere Kostenlose Bücher