Die Rose von Darjeeling - Roman
gewinnen?«
Julia war verwirrt. War das jetzt Logik? Bauernschläue?
»Äh …« Betont höflich wandte sie sich an Gerda. »Kannst du uns denn weiterhelfen? Darf ich dich fragen, woher du die Information hattest?«
Gerda war hin- und hergerissen. »In meinem Job hört man viel. Wenn man den Leuten zu Hause die Füße macht, kommen sie ins Reden, erzählen auch mal sehr Privates. Und wenn die das Gefühl haben, ich tratsch das weiter, dann kann ich gleich einpacken.«
Max merkte, dass Julia kurz davor war, die Geduld zu verlieren. »Das verstehe ich gut. Das ehrt dich, Gerda. Du hast eine Art Schweigepflicht, wie ein Arzt.« Gerda entspannte sich wieder, sie fühlte sich verstanden und nickte. »Aber weißt du«, fuhr Max fort, »der Großvater von Julia hat diesen besonderen Rhododendron ursprünglich gezüchtet. Die Rechte liegen sozusagen seit Jahrzehnten bei der Familie Jonas. Wenn du Julia also vielleicht einen Tipp geben könntest, wenigstens einen kleinen Fingerzeig, dann würdest du damit der Gerechtigkeit einen großen Dienst erweisen.«
Sie zögerte noch. »Vielleicht sollte ich zuerst mit der entsprechenden Kundin reden …«
Hein nickte ihr aufmunternd zu. Gerda rieb sich das Ohr. Sie hatte doch versprochen, nichts weiterzusagen.
»Es eilt ziemlich, weil der Wettbewerb doch morgen entschieden wird«, drängte Julia sanft.
Max beschloss, seine wahre Identität zu enthüllen. »Mein Vater hat diesen Wettbewerb ausgelobt. Er ist fast achtzig, die Rose von Darjeeling bedeutet ihm sehr viel, er möchte sie so gern noch einmal blühen sehen.«
Gerda fiel die Kinnlade herunter. Sie schlug mit der Hand auf den Biertisch. »Hab ich’s nicht gleich gesagt? Du hast unheimlich viel Ähnlichkeit mit diesem Max, der immer auf den Adelsfesten … Mensch, wer hätte das gedacht!« Sie schnappte nach Luft. »Darauf kannst du aber erst mal ’ne Runde ausgeben, Max … Oder wie soll man dich … äh … Sie denn nun nennen? Hoheit?«
Max lachte. »Max ist schon in Ordnung. Und im Ammerland gelten ja wohl die Ammerländer Sitten, da können wir auch beim Du bleiben.«
»Also unter diesen besonderen Umständen …«, Gerda gab sich geschlagen. »Dann muss ich aber mitkommen«, beharrte sie.
»Ja, in Ordnung.«
»Vorher muss ich schnell noch mal für kleine Mädchen.«
Julia schloss sich ihr an.
»Mensch, das is ja ’n Ding, was? Ein echter Blaublüter. Und so nett.«
»Mich wundert, dass du ihn kanntest.«
»Ich les ja zu gern diese Klatschblätter«, gab Gerda zu. »Und ich kann mir Gesichter gut merken. Der Max ist doch immer dabei, wenn sie diese Hitparaden mit den begehrtesten Junggesellen machen.« Plötzlich sah Gerda besorgt in den Spiegel, wo ihr Blick den von Julia traf. »Aber sei bloß vorsichtig. Lass dir nicht das Herz brechen. Bei jedem Ball und bei jeder Party taucht der mit einer anderen Schönheit auf.«
Julia spürte, wie sich ein Wackerstein schwer auf ihr Herz senkte.
»Ach, was!«, rief sie möglichst unbekümmert. »Der ist überhaupt nicht mein Typ.«
»Gut, dann fahrt mal hinter mir her, wir müssen nach Aue – zu Hella ter Fehn.«
Ammerland – Jersey
1951 bis 1980
Nach dem furchtbaren Eklat im Hause Jonas im Juni 1951 machten Carl und Gustav bis an ihr Lebensende einen großen Bogen umeinander. Carl fuhr ungern nach Leer, Gustav mied jahrelang das Ammerländer Bauernhaus am Zwischenahner Meer. Er vermietete es schließlich.
Carl wurde mit den Jahren ein bisschen spießig-solide. Er steckte seine Liebe in die Rhododendronzüchtung, reiste viel, entdeckte noch mehr Wildarten und hielt Vorträge. Seinen Kindern war er ein liebevoller, aber strenger und auf Leistung pochender Vater. Die Not der Kriegsjahre vergaß er nie, deshalb sammelte er sogar in den Wirtschaftswunderjahren noch jeden Joghurtbecher oder Bindfaden. Und konnte auf der anderen Seite, in gelegentlichen Ausbrüchen eines Wir-sind-noch-mal-davongekommen-Lebensgefühls, auch besonders großzügig sein. »Lasst uns das Leben genießen, es ist so kurz«, pflegte er dann auszurufen.
Mit Gesine lief es seit der Geburt der kleinen Constanze besser. Sie waren ein eingespieltes Arbeitsteam. Gefühlsäußerungen zwischen den Eheleuten gab es kaum. Gesine schenkte ihre Umarmungen vor allem den Kindern und großzügig auch deren Freunden. Einige kannten so viel Herzlichkeit und Fürsorge von zu Hause aus nicht und kamen eher wegen der Mütterlichkeit als wegen gemeinsamer Schularbeiten zu den Jonas.
Der Jonas’sche
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