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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wirthschafterin brachte den Stuhl in die unmittelbare Nähe des Bettes. Sie hatte mit Katharina die wechselsweisen Nachtwachen übernommen und widmete dabei den Kranken und besonders ihrem Herrn eine Aufmerksamkeit, welche selbst den kleinsten seiner Wünsche liebevoll zu errathen suchte.
    »Waaßt’ noch, als wir mit’nander in der Schul’ gewes’n sind? Wir waren gute Freund’; ich sagte ›Friedemann‹ zu Dir, oder kurzweg ›Frieder,‹ und Du hast mich Andres genannt. Denk’ ‘mal, wir sitz’n noch beisammen auf der Bank, und reich’ mir Deine Hand!«
    »Die sollst’ hab’n, Andres,« antwortete Haubold bereitwillig. »Es war die schönste Zeit in meinem ganzen Leb’n; das Uebrige ist lauter Leid und Zorn gewes’n!«
    »Aber daran trägst net Du die Schuld, sondern ich allein. Seit der Bruder todt ist, hab’ ich Dich beleidigt auf alle Weis’, hab’ das Dorf geg’n Dich aufgehetzt und Dir Schad’n gethan, wo ich nur immer konnt’. Du waaßt am best’n, wie ich Dich verfolgt hab’ und gekränkt zu jeder Zeit und bei jeder Gelegenheit; aber dies waaßt Du net, daß ich viele Jahr’ hindurch auf Dich gelauert hab’, um meine Rach’ zu still’n. Und in der Nacht, wo bei mir Feuer war, bin ich Dir nachgefolgt und habe mich auf Dich geworf’n, um Dir das zu thun, was Du dem Bruder gehan hast. Aber Du warst stärker, als ich, und hast Dich gewehrt, so daß unter uns der Stein zerbroch’n ist.«
    Er machte eine Pause. Auch Haubold schwieg. Er dachte an die fürchterlichen Augenblicke, in denen er unter dem grimmen Feinde gelegen und alle seine Kräfte aufgeboten hatte, um dem Tode zu entgehen. Noch vernahm er den donnernden Krach, welcher dem Kampfe ein Ende gemacht hatte; an das Weitere konnte er sich nicht erinnern; er war erst in der Ruine wieder erwacht.
    »Dann kam die Nacht in der Höhl’,« fuhr Heinemann fort. »O, diese Nacht werd’ ich nimmer vergess’n! Da hat Dein Advocat die Act’n hergenommen und mir die ganze Sünd’nschuld verles’n, und da drin im Gewiss’n hat der Richter gesess’n und mir sein Urtheil gesagt. ›Was bist’ doch für aan schlechter Kerle, Heinemann!‹ so hast’ an dem Sonntag zu mir gesproch’n; aber ich bin noch viel schlimmer gewes’n, als Du denkst. Daß mir der Hof verbrannt ist, das ist noch die gelinde Straf’; die größte sitzt hier innen; da nagt der Wurm, der nie stirbt, und da frißt das Feuer, welches nimmer verlischt. Friedemann, giebt’s kaane Hilf’ gegen diesen Brand? Du hast mir die Frau mit aus der Flamm’ gerettet; Du könnt’st auch hier der Helfer sein, wenn Du nur wollt’st!«
    Haubold’s Stimme zitterte, als er fragte:
    »Wie soll ich helf’n, Andres?«
    »Vergieb mir all’ die Missethat, die mir die Seel’ zermalmt wie aan Gebirg, das auf ihr liegt! Ich waaß, es ist schier unmöglich, was ich verlang’, aber Du bist bei all’ meiner Schlechtigkeit mir nimmer feindselig gewes’n, und Du hast vielleicht auch jetzt Erbarmen.«
    »Denkst’ wirklich, daß ich zu all der früheren Ueberwindung auch das noch fertig bring’? Sollst Dich net täusch’n, Andres! Hier ist die Hand und auch die andre noch. Ich hab’ unsre Sach’ Gott überlass’n, und der hat Dir das Herz gelenkt. Es soll Alles vergeben und vergessen sein!«
    »Hab’ Dank, Friedemann! Ich waaß noch ganz genau, was ich beim Feuer zu Dir gesagt hab’: ›Wir sind noch nimmer quitt; aan Mord wiegt schwerer, als die paar Blas’n, die der Gustav auf die Haut bekommen hat!‹ Jetzt aber ist es anders. Er hat net bloß der Frau, sondern auch mir das Leben erhalt’n und liegt nun selber auf den Tod darnieder, weil er beim Aufsteig’n in der Spalt’ die Brandwund’n strapazirt hat. Das hebt den Tod vom Bruder auf. Wir sind jetzt quitt!«
    Haubold schob die gefaßten Hände des Sprechers mit einer hastigen Bewegung zurück.
    »So glaubst’ auch jetzt noch, daß ich es war, der ihn hinabgestürzt hat?«
    »Es kann doch gar net anders sein, Friedemann! Aber laß Dich’s net verdrieß’n; ich werde nimmer wieder davon sprech’n!«
    »Aber ich waaß ja wirklich nix davon. Ich bin so unschuldig daran, grad’ wie die liebe Sonn’ am Himmel! Die Martha hat mich lieb gehabt und ihn net leiden mög’n; er ist mir nachgefolgt auf Schritt und Tritt, um mir ‘was anzuthun; ich aber hab’ ihn gemied’n und bin an jenem Abende gar net mit zur Kanzel hinaufgestieg’n. Der Vater hat es net gewollt, daß ich die Martha nehmen sollt’, und mich damals mit

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