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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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damals im Saale; aber wie sie ihm ihre Hand dort dennoch gereicht hatte, so hob es auch jetzt ihre Arme empor, – sie schlangen sich um seinen Hals, und mit unterdrücktem Schluchzen lehnte sich das kleine Köpfchen gegen seine Brust. Er war wieder da nach so langer, schwerer Zeit, und nun wurde gewiß Alles gut, – einen anderen Gedanken hatte sie nicht mehr.
    Ueberglücklich zog er sie an sich. Er hatte ja in seinem Dienste gelernt, auf das Fühlen und Denken Anderer Acht zu haben, und so erkannte er leicht, daß der unerwartete Empfang eine innere Vorbereitung gefunden haben müsse.
    »Bist Du mir denn noch gut, Paule?« flüsterte er.
    Sie nickte.
    »Auch noch wie früher, ehe ich zu – zu der Wiesenbäuerin gerieth?«
    »Ja.«
    »Und willst Du mir das verzeihen?«
    »Gern, wenn Du nicht wieder zu ihr gehst!«
    »Ich schau sie nimmer an!«
    »Aber sie ist gar schön, fast schöner noch als früher! Und ich – ich darf mich da ja gar nicht zu ihr hinstellen.«

    Er hob ihr rosiges, gutes Gesichtchen zu sich empor und erwiederte lächelnd:
    »Du bist lieb und brav, und das ist tausendmal besser als schön! Darum habe ich auch immer nur an Dich gedacht, seit ich Dich zum letzten Male sah, und nun mein Herr gestorben ist und ich aus meiner Stelle frei geworden bin, habe ich herbei gemußt, um Dich zu sehen und auch zu erfahren, ob Du mich vergessen hast oder nicht. Ist Dein Vater daheim?«
    »Nein; er ist im Walde.« Sie hatte auf die kurzen Augenblicke das Leid der letzten Zeiten vergessen gehabt; jetzt kam ihr dasselbe wieder in den Sinn. »Ach, Hermann, wenn Du wüßtest, wie es bei uns steht! So traurig ist es noch nie gewesen, und wenn es so fortgeht, weine ich mich noch zu Tode!«
    Sie theilte ihm Alles mit, was auf ihrem Herzen lag. Er hörte ihrem Berichte aufmerksam zu und frug, als sie geendet hatte, mit nachdenklich gedehnter Stimme:
    »›Samiel‹ – –? Wer hat ihm denn diesen Namen gegeben?«
    »Ich weiß es nicht. Es kennt ihn ja Niemand, und so hat man den Namen des ›Bösen‹ für ihn ausgesucht, der vielleicht besser paßt als ein anderer.«
    »Und es hat sich wirklich niemals eine Spur von ihm entdecken lassen?«
    »Nicht die geringste! Er muß den Wald fast noch besser kennen als der Vater.«
    »Habt ihr nicht vielleicht auf die Gastwirthe und Wildprethändlern ein Augenmerk gehabt? Wenn er so grausam viel darniederschießt, muß er doch Hehler haben, die ihm seine Waare abnehmen!«
    »Er verkauft ja seine Beute gar nicht, sondern läßt sie stets liegen, wo er sie getroffen hat. Er geht also nicht des Gewinnes wegen, sondern nur aus Passion in den Forst, das sieht man ja ganz deutlich, und dazu ist er ein Schütze, vor dem man eigentlich Respekt haben muß, denn auch beim schwersten Schusse sitzt die Kugel immer nur da, wo sie kunstgerecht aufzutreffen hat!«
    Er sprang empor, seine Augen funkelten.
    »Paule, jetzt weiß ich es bald, wer’s ist, und ich kann mir auch denken, warum er es thut! Es ist die Passion, die ihn hinaustreibt, die Leidenschaft, ja, aber eine ganz andere als ihr meint. Es gibt nur zwei Menschen, die das Revier so genau kennen, wie es für den ›Samiel‹ nothwendig ist, ich und – und – und noch Jemand. Und es gibt nur Drei, die mit der Büchse so umzugehen verstehen wie er, Dein Vater, ich und – und – und wieder dieser Jemand. Er hat es thun können, blos weil ich nicht dagewesen bin, jetzt aber ist es aus mit ihm, jetzt werde ich ihn aufsuchen, und ich muß ihn finden! Habt ihr wirklich gar kein Zeichen, gar nicht irgend einen Gegenstand von ihm, eine Fußspur, einen Pfropfenrest, ein Stückchen Papier oder sonst etwas Geringes, aus dem man weiter schließen kann?«
    »Nein; er ist gewaltig vorsichtig und hat nie etwas hinterlassen, denn – – aber warte, Hermann, jetzt fällt mir ein: heut in der Nacht hat er doch dem Vater ein Papier in die Tasche gesteckt, wo seine Schrift darauf zu lesen sein muß! Ich weiß zwar nicht, welche Tasche der Vater meint, aber seine Joppe hängt noch in der Stube; sie war von den Dornen zerrissen, und darum hat er die andere angezogen als er ging. Soll ich einmal nachschaun?«
    »Ja, geh gleich, Paule! Aber laß die Mutter nicht erfahren, daß ich hier bin; sie hat der Sorgen schon so genug!«
    Sie trat in das Haus. Nach einigen Minuten kam sie zurück und hielt ihm ein zusammengeknittertes Papier entgegen.
    »Das ist Alles, was zu finden ist; ich habe selber noch nicht darauf gesehen.«
    Er öffnete es mit sichtbarer

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