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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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aan altes, wahres Wort, und so will ich ruhig sein und allen Vorwurf trag’n, bis meine Hilf’ gekommen ist!«
    Er mußte sich bücken, um durch die niedrige, enge Pforte zu gelangen, und stieg dann die wenigen Stufen einer schmalen Treppe empor, welche zu einer Thür führte, die in diesem Augenblicke nur angelehnt war. Er wußte ganz genau, daß er sie bei seinem Gehen geschlossen hatte; Niemand, selbst Gustav nicht, wagte, hier Zutritt zu nehmen, und doch befand sich Jemand in der Klause des einsamen Einsiedlers, denn es war eine Stimme zu vernehmen, welche in halblauten, abgerissenen Sätzen mit irgend wem zu sprechen schien.
    Er erweiterte leise und vorsichtig die Spalte und blickte hinein. Außer dem einen Kreisabschnitt bildenden Treppenraume befanden sich zwei dreieckige Gemächer in dem Thurme, deren rechtem Winkel die von einigen Fensteröffnungen durchbrochene runde Umfassungsmauer gegenüberlag. Die vordere Stube war für einen »Einsiedel« sehr eigenthümlich ausgestattet. Die eine Wandseite wurde von hohen, wohlgefüllten Bücherständen vollständig eingenommen; die andere war mit den Insignien des Studententhums, Pfeifen, Schläger, Cerevis und hundert Kleinigkeiten behangen; an einem der Fenster stand ein augenscheinlich viel benutzter Schreibtisch, und in der Nähe desselben enthielt ein mit grünem Vorhange versehenes Fachwerk allerlei ärztliche Instrumente und chemische Werkzeuge und Apparate.
    Hier war Niemand zu sehen; die Stimme kam aus dem nebenan liegenden Raume, dessen Thür weit geöffnet war. Haubold’s Züge verfinsterten sich. Wer konnte es wohl unternehmen, das größte Heiligthum, welches der Tannenhof für ihn barg, zu entweihen? Zornig eilte er hinzu und stand im nächsten Augenblicke hinter einer weiblichen Person, welche am Boden kniete und mit Inbrunst ein Bild betrachtete, welches sie mit beiden Händen vor sich hielt.
    »Nein, Du bist’s net gewes’n,« sprach sie, »das waaß ich sicher und gewiß; aber es darf Niemand wiss’n, wie’s gekommen ist, und darum mußt Du für mich leid’n, ohne daß ich Dich davon erlös’n kann!«
    »Was giebt’s hier zu erlös’n, und wer hat Dir geheiß’n, in meine Stub’ zu gehen?« fragte es hinter ihr.
    Sie erhob sich erschrocken und wendete ihm ihr blatternarbiges und jetzt vor Verlegenheit hoch erröthendes Gesicht zu.
    »Nun, kannst’ net Antwort geb’n? Was thut das Bild in Deiner Hand? Gleich hängst’ es wieder hin an seine Stell’ und machst, daß Du hinausgelangst. Aber komm’ mir ja niemals net wieder herein, sonst magst’ sehen, wo Du bleibst!«
    Die freundliche Ausstattung des Zimmers ließ wohl kaum die Vermuthung zu, daß es dem Teufelsbauer zur Wohnung diene. An den Fenstern hingen weiße Gardinen, welche allerdings schon seit geraumer Zeit der Wäsche zu entbehren schienen, deren Feinheit aber darauf deutete, daß sie nur von einer ganz besonderen Rücksicht in die Ruine gebracht worden seien; das Sopha und die weichen Polsterstühle waren mit mühsamen Filetarbeiten belegt; das hinter einem Vorhange sich verbergende Bettchen trug einen Ueberzug von theurem französischen Leinen; der offene Waschtisch zeigte eine sorgfältige Auswahl von für einen Bauernhof ungewöhnlichen Damentoilettengegenständen; auf dem Nähtische stand ein niedliches Necessaire, und unter dem Spiegel waren allerlei Nippes und bunte Kleinigkeiten gruppirt, unter denen jedenfalls eine zarte Frauenhand gewaltet hatte. War es vielleicht die Hand des jungen, schönen Mädchens gewesen, deren blondlockiges Portrait inmitten eines der zwei welken Vergißmeinnichtkränze hing, welche zu beiden Seiten des Spiegels befestigt waren?
    Vor Bestürzung noch immer wortlos, trat die Gescholtene herzu und gab das Bild, welches sie gehalten hatte, in den zweiten Kranz hinein. Es stellte einen Jüngling in Studententracht vor, und eine Vergleichung mit Haubold ließ erkennen, daß er selbst dazu gesessen habe.
    »So; nun geh’!« sprach dieser. »Ich kann hier Niemand net gebrauch’n.«
    Sie sah ihn bittend an. Ihre Augen, in denen ein heller Tropfen schimmerte, glichen jetzt fast denjenigen, mit welchen das Mädchenbild so voll und offen aus dem Rahmen schaute.
    »Ich sah Euch geh’n,« entschuldigte sie sich endlich mit leise zitternder Stimme, »und dacht’, ich könnt’ inzwischen hier ‘mal nach der Ordnung seh’n!«
    »Das thu’ ich selbst,« antwortete er in milderem Tone. »Net wahr, das hast’ gewußt und bist nur aus Neugierd’

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