Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
Handflächen wurden plötzlich feucht und kalt.
Henry verengte die Augen wie eine Katze, die die Pfote auf den Schwanz einer Maus legt.
»Ich möchte, dass Ihr während der nächsten Gerichtsperiode auf der Richterbank in Westminster sitzt und Fälle aburteilt.«
Die Enttäuschung traf ihn wie ein Schlag, aber es gelang Roger irgendwie, sich nichts anmerken zu lassen. Diesen Triumph gönnte er Henry nicht. Es ist ein Privileg, keine Strafe, ermahnte er sich. Ihm wurde eine Aufgabe anvertraut, die Verantwortungsbewusstsein und Gerechtigkeitssinn erforderte und die sein Ansehen und seine Bedeutung wesentlich steigern würde. Auf der Richterbank des Königs Recht zu sprechen trug einem Mann großen Respekt ein. Doch er hatte mehr erwartet. In seinem Hinterkopf war ein Bild des Gürtels eines Earls aufgeblitzt. Das sardonische Leuchten in Henrys Augen verriet ihm, dass der König genau wusste, was in ihm vorging.
»Sire, wenn das Euer Wunsch ist, werde ich tun, was Ihr von mir verlangt«, sagte er mit einer steifen Verbeugung.
»Es ist allerdings mein Wunsch«, bestätigte Henry. »Und danach sprechen wir vielleicht über den dritten Penny der Grafschaft.«
In der Halle der Königin unterhielt eine Gauklertruppe die Frauen und Kinder mit Kunststücken und Zaubertricks. Ein Mann trug ein rotschwarz kariertes Kostüm und eine Bischofsmitra auf seiner blonden Lockenperücke. Die kleineren Kinder waren von seinem kleinen Hund fasziniert, der durch Reifen springen, betteln und auf den Hinterbeinen tanzen konnte.
Idas Blick sog sich an einem dunkelhaarigen Jungen fest, der zu erraten versuchte, unter welchem Becher einer der Gaukler eine Bohne versteckt hatte. Er war langgliedrig und wie ein Prinz mit einer Tunika aus dunkelroter Wolle und mit einer engen blauen Hose bekleidet. Er hatte Henrys Nase und Brauen geerbt, aber die Farbe der Haut, Haare und Augen waren von ihr, und sie fand etwas von sich in der Linie seiner Wangen und seines Kinns wieder. Seine Augen waren ebenso scharf wie die seines Vaters, und er zeigte zweimal unbeirrt auf den richtigen Becher. Beim dritten Mal war der von ihm gewählte leer, genau wie die beiden anderen, und der Gaukler zupfte die Bohne grinsend hinter dem Ohr des kleinen Jungen hervor. Ein verwirrter Ausdruck huschte über das Gesicht ihres Sohnes, dann brach er in prustendes Gelächter aus, in das Ida mit einstimmte, obwohl der Schmerz kaum zu ertragen war. Aus dem Kleinkind war ein lebhafter Junge geworden. Sie hätte ihr Kind trotzdem jederzeit erkannt, selbst mit verbundenen Augen hätte ihr Instinkt sie zu ihm geführt… aber das beruhte nicht auf Gegenseitigkeit. Er kannte sie nicht mehr, andere Frauen hatten ihren Platz in seinem Leben eingenommen. Sie wusste, dass sie sich
ihm nicht zu erkennen geben und den Hof dann wieder verlassen durfte, weil die Qual für ihn zu groß und es ihm gegenüber nicht richtig wäre. Wenn er doch nur bei ihr und Roger leben und mit seinen Halbgeschwistern aufwachsen dürfte… aber dazu würde es nie kommen. Henry würde seinen jüngsten Sohn nie gehen lassen, schon gar nicht nach dem Verlust seiner älteren Söhne.
Ein Mädchen, zwar noch in der Pubertät, aber schon auf der Schwelle zur erwachsenen Frau, lächelte, während es den Gaukler und William beobachtete. Es trug einen leichten Schleier, unter dem zwei Zöpfe von der Dicke eines männlichen Handgelenks und der Farbe reifer Gerste hervorlugten, und seine Augen schimmerten tiefblau. Lord John, der Sohn des Königs, beäugte es schon eine ganze Zeit lang gierig, doch es ignorierte seine Blicke mit einer Gelassenheit, die Ida bewunderte. Sie selbst hätte in diesem Alter keine solche Selbstsicherheit an den Tag gelegt. Allerdings glaubte sie nicht, dass John sich irgendwelche Freiheiten herausnehmen würde. Er war in Ungnade gefallen, weil er seine Base Emma, die Tochter des Earl de Warenne, geschwängert hatte, und bemühte sich nun, ein besseres Benehmen zu demonstrieren – was bei ihm allerdings nicht allzu viel hieß.
Der Gaukler griff nach sieben bunten Lederbällen, begann damit zu jonglieren und warf zwischendurch immer wieder William einen zu, der ihn im richtigen Moment zurückwerfen musste. Der Jongleur fing den Ball auf, ohne die anderen fallen zu lassen, dabei grinste er breit, wohingegen William konzentriert die Stirn runzelte. Ida biss sich belustigt auf die Lippe.
Das blonde Mädchen klatschte in die Hände.
»Ich wünschte, ich könnte das auch!«
»Ihr würdet es
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