Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
zu dürfen. Roger machte ihr Platz und schlang einen Arm um ihren schmalen Körper. Im Verlauf des Spiels erzählte er den Kindern eine Geschichte von einem König, einer Lady und einem tapferen Ritter, der die Lady vor dem König retten musste, weil dieser sie einsperren wollte. Während Ida lauschte, begann sie zu zittern. Sie hatte nach ihrer Rückkehr ihren Umhang abgelegt, schlang ihn jetzt aber wieder um sich und rieb ihre Hände gegeneinander, aber die Kälte, die sie empfand, kam von innen.
»Hat der Ritter den König getötet?«, wollte Hugh wissen.
»Nein«, erwiderte Roger, »denn das wäre unehrenhaft gewesen, und der Ritter hielt seine Ehre hoch. Er durfte den König nicht töten, weil er ihm einen Treueeid geschworen hatte.«
»Aber er hat die Lady gerettet?«
»Das weiß ich nicht.« Rogers Blick heftete sich auf Ida, die ihm nicht in die Augen zu sehen vermochte. »Ich erzähle die Geschichte ein andermal weiter. Jetzt wird gegessen, und dann ist es höchste Zeit, ins Bett zu gehen.«
»Der König hat mich aufgefordert, auf der Richterbank in Westminster Fälle abzuurteilen«, berichtete Roger, als er und Ida zum Feuer zurückkehrten, nachdem sie mit den Kindern gebetet und ihnen einen Gutenachtkuss gegeben hatten. Hugh hatte darauf bestanden, dass sein neuer Ritter so neben seinem Bett auf den Boden gestellt wurde, dass seine Lanze auf die Tür gerichtet war, damit er ihn beschützen konnte. »Er hat auch gesagt, er würde erwägen, mir den dritten Penny der Grafschaft zuzusprechen.«
Ida musterte ihn und versuchte seine Stimmung einzuschätzen.
Solche Nachrichten sollten ein Grund zum Feiern sein, doch er wirkte noch immer erbost und verdrossen.
»Das sind doch gute Neuigkeiten.«
»Das dachte ich zuerst auch, aber jetzt beginne ich mich zu fragen, wie der Preis dafür aussehen wird.«
»Wie meinst du das?«
Roger verzog die Lippen.
»Ich habe gesehen, wie Henry dich heute angesehen hat. Er würde dich immer noch in sein Bett holen, wenn er meinen würde, damit durchzukommen. Und wie du seine Blicke erwidert hast …«
Ida sah ihn entgeistert an.
»Das ist unsinniges Gerede!«
Er warf ihr einen finsteren Blick zu.
»So?«
Ihr wurde plötzlich übel.
»Du glaubst, er will dich bestechen, damit du wegschaust, wenn er sich mit mir vergnügt? Hast du so wenig Vertrauen zu mir? Und würdest du einem Mann folgen, dem du so etwas zutraust?« Vor Wut und Demütigung zitternd funkelte Ida ihn an. »In einem anderen Leben war ich die Mätresse eines Königs, ja. Einst habe ich ihm ein Kind geboren. Wenn du heute etwas von seinem früheren Verhalten in ihm entdeckt hast, dann galt dies alten Zeiten und einem Mädchen, das es nicht mehr gibt. Er wird alt. Wenn ich irgendetwas für ihn empfinde, dann Mitleid. Zwei seiner Söhne sind tot. Wie muss sich ein Vater da fühlen?«
»Da er sie kaum kannte, kann ich das nicht sagen.« Roger bekam noch schmalere Lippen.
Ida stritt selten mit ihrem Mann, was daran lag, dass er meistens gerecht und gutherzig war und sie ihn vergötterte. Sie wusste auch, wie anders ihr Leben ohne ihn hätte verlaufen
können. Er hatte sie vor dem König gerettet. Im Wissen um ihr Glück war sie immer diejenige gewesen, die einen Rückzieher gemacht hatte und einer Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen war. Doch jetzt war Roger zu weit gegangen. Sie erhob sich und ging zu der Treppe, die zu den Schlafkammern führte. Auf der ersten Stufe blieb sie stehen und drehte sich noch einmal um.
»Er kannte sie gut genug, um um sie zu trauern«, fauchte sie. »Ich habe es bei Hof gehört, und ich habe es in seinem Gesicht gelesen. Seit dem Tag, an dem du zu ihm gegangen bist, um ihn um dein Erbe zu bitten, und ich dich zum ersten Mal gesehen habe, war ich dein. Möge Gott mich strafen, wenn ich je in Wort, Tat oder Gedanken vom rechten Weg abweiche.« Sie schluckte und rang um Fassung. »Und jetzt gehe ich zu Bett. Du machst mich krank!«
Roger ließ sie gehen, dann fluchte er in die Stille, die sie hinterlassen hatte, und fuhr sich mit den Händen durch das Haar. Er wusste, dass er sich unvernünftig verhielt. Er stand in dem Ruf, stets ruhig und besonnen zu sein – ein Mann, der sich in keiner Situation aus der Fassung bringen ließ, aber jetzt war sein unparteiisches Urteilsvermögen mehr als nur ein wenig beeinträchtigt. Der Anblick von Ida und Henry Seite an Seite hatte ihn mit heißer Eifersucht erfüllt. Er war wütend auf Henry, weil er es wagte, sie noch immer auf
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