Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
schnell lernen, wenn Ihr Euren Lebensunterhalt damit verdienen müsstet«, gab Ida zurück. »Manchmal
glaube ich, wir Frauen müssen mit unserem Leben jonglieren wie der Gaukler mit seinen Bällen, und je besser uns das gelingt, desto weniger bemerken es die Leute.«
Das Mädchen lächelte höflich, und Ida fühlte sich plötzlich alt, obwohl sie erst fünfundzwanzig Jahre zählte. Ihr fiel auf, dass die zwei Goldringe, die die junge Frau trug, keine Eheringe waren. »Verzeiht mir«, entschuldigte sie sich. »Ich war eine Weile nicht am Hof und kann nicht mehr jedem Gesicht einen Namen zuordnen.«
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
»Ich kenne hier auch fast niemanden.« Es zögerte und fügte dann bescheiden hinzu: »Ich bin Isabelle de Clare. Mein Vater war Richard de Clare, der Lord von Striguil und Pembroke.«
»Ah.« Jetzt wusste Ida Bescheid. Isabelle de Clare war die Erbin eines der größten Landsitze innerhalb von Henrys Herrschaftsbereich. Ihre Ländereien lagen an der Grenze zwischen England und Wales, und sie hatte zudem Longueville und Orbec in der Normandie sowie einen großen Besitz in Südengland geerbt. Ihr Vater war ein berühmter Krieger gewesen, ihre Mutter gehörte dem irischen Königshaus an.
Ida stellte sich ihrerseits vor. Isabelle antwortete höflich, aber ohne irgendein Zeichen des Erkennens. Aber wie sollte sie auch? Sie war während Idas Zeit als Henrys Mätresse noch ein Kind gewesen. Und bislang wusste sie auch noch nichts von dem heimtückischen Hofklatsch, der im Palast kursierte und so schlüpfrig war wie unter einer glatten Bauchdecke verborgene Eingeweide. Sie war vollkommen unschuldig. So wie ich einst, dachte Ida traurig.
Henry kam mit einer Gruppe ausgewählter Höflinge aus der großen Halle und gesellte sich zu den Frauen, um ein wenig mit ihnen zu plaudern. Ida und Isabelle knicksten vor ihm. Aus dem Augenwinkel heraus sah Ida ihren Sohn eine perfekte Verbeugung
vollführen – elegant, sicher und so natürlich, dass er sie, wie Ida wusste, eingeübt haben musste, bis sie ihm in Fleisch und Blut übergegangen war. Ihre Augen blitzten vor Stolz.
Roger war unter den Begleitern des Königs. Ida suchte seinen Blick, und er beantwortete ihn mit einem Lächeln, das ein Kribbeln in ihrer Magengegend auslöste. Es war fast wie in ihrer ersten Zeit bei Hof, als sie heimliche Blicke gewechselt hatten – nur dass ihnen dies heute erlaubt war und sie der Einladung folgen durften, die diese Blicke aussprachen.
Henry unterhielt sich eine Weile mit Eleanor. Inzwischen gingen sie wie zivilisierte Menschen miteinander um, obwohl die Königin noch immer unter Hausarrest stand. Die Zeit hatte die Fesseln gelockert, doch Fesseln blieben Fesseln, auch wenn sie aus Seide, Wein, Büchern und Liedern bestanden, und sie würde sie so lange tragen, wie Henry lebte. Endlich trat der König zu Ida, Isabelle und der Gruppe, die den Gauklern zusah. Ida knickste erneut.
»Lady Bigod.« In Henrys Stimme schwang eine Wärme mit, die weit über eine höfliche Begrüßung hinausging. »Welche Freude, Euch hier zu sehen.«
»Danke, Sire.« Ida starrte zu Boden und hoffte inständig, er würde ihr keinen Finger unter das Kinn legen oder sonstwie durchblicken lassen, wie sie einst zueinander gestanden hatten.
»Ihr habt Eurem Mann einen prächtigen Sohn geschenkt.« Henry lächelte Roger zu. Oberflächlich betrachtet war die Bemerkung harmlos, aber Ida wusste, wie Henrys Verstand arbeitete, und erkannte die verkappte Spitze. Ein kurzer Blick verriet ihr, dass Roger zur Antwort verbindlich lächelte, seine Schultern sich aber vor Anspannung verkrampft hatten.
Henry küsste Idas Hand und Wange und musterte sie mit einem eindringlichen Ausdruck in den Augen, der sie an die Vergangenheit erinnerte. Wäre sie noch seine Mätresse, würde
er sie heute Nacht zu sich kommen lassen, um sie wild und zügellos zu lieben. In gewisser Weise war es wieder wie bei ihrer ersten Begegnung, als er sie aus einer Gruppe junger Frauen ausgewählt hatte.
»Und Mistress Isabelle.« Henry wandte seine Aufmerksamkeit der Erbin von Striguil zu. »Gefällt Euch das Fest?«
»Sehr, Sire«, antwortete Isabelle leise.
Henry musterte sie abschätzend.
»Ich muss sehen, was ich für Eure Zukunft tun kann.« Er schob die Zunge in seine Wange. »Vielleicht sollte ich Euch einen würdigen Lord für Striguil und Leinster aussuchen?«
Isabelle neigte den Kopf so anmutig wie ein Schwan.
»Ich vertraue darauf, dass Ihr mir einen
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