Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
schlagen. Er ist so alt
wie du, aber er ist sein ganzes Leben lang durch die Welt gezogen, und dazu hat er jetzt keine Lust mehr.«
Roger stimmte ihr mit einem stummen Nicken zu.
Ida begann sich für das Thema zu erwärmen. »Du hast schon eine Frau und vier Kinder, du besitzt Land und ein Heim. Darum beneidet er dich. Ich glaube, Isabelle wird mit ihm einen guten Mann bekommen. Und ihre erste Pflicht ihm gegenüber wird darin bestehen, ihm einen Erben zu schenken, dazu kommt, dass sie als Herrin von Leinster auch ihre eigene Blutlinie fortführen muss. Eine Wiege ist das ideale Geschenk, sie drückt etwas aus, das man nicht in Worte zu fassen braucht.«
»Schon gut, ich glaube dir ja.« Roger hob lachend die Hände. »In solchen Dingen behalten Frauen für gewöhnlich Recht, und die Männer sollten sich ihnen fügen.«
Die Sonne war über London untergegangen, Fledermäuse schossen am tiefblauen, sternenübersäten Himmel dahin. Die Hochzeitsfeier von William Marshal und Isabelle de Clare fand im Haus des wohlhabenden Londoner Kaufmanns Robert FitzRainer statt, der sein Bestes getan hatte, um innerhalb so kurzer Zeit ein prachtvolles Fest für den neuen Lord von Striguil und seine Braut auszurichten und ihnen für ihre Hochzeitsnacht eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen.
Im Obstgarten waren Tische mit weißen Leinentüchern aufgestellt worden. Laternen leuchteten in den Apfel-und Birnbäumen und zogen juwelenäugige Motten an. Der frische grüne Duft zertretenen Grases erfüllte die Luft, und es wurde gelacht, musiziert und gesungen. Es war FitzRainer gelungen, einen irischen Troubadour ausfindig zu machen, der wie ein Engel Harfe spielte und zu Ehren der Braut Lieder in der Sprache seiner Heimat vortrug. Der Umstand, dass Isabelle de Clares Mutter
eine Prinzessin dieses Landes war, erhöhte den romantischen Reiz der fremdartigen Weisen noch.
Roger kehrte von einem dringend erforderlichen Besuch der Latrine zurück, hielt, vom reichlich fließenden Wein leicht benommen, unter den Gästen nach Ida Ausschau und lächelte, als er sie in einem angeregten Gespräch mit einigen anderen Frauen entdeckte. Die Jahre am Hof und ihre eigene natürliche Wärme bewirkten, dass sie völlig ungezwungen in der Gesellschaft verkehren und aus dem Klatsch und Tratsch nützliche Informationsfetzen herausfiltern konnte.
Der Bräutigam gesellte sich zu ihm, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen einen Baum. William wirkte vollkommen im Einklang mit sich und der Welt, aber Roger hatte noch nie erlebt, dass er irgendeine Situation nicht beherrschte, was offenbar auch für seine eigene Hochzeit galt. Die Braut, ein Traumbild in rosenfarbener Seide, wurde von einigen Gästen mit Beschlag belegt, hob aber mitten im Gespräch den Kopf, schaute zu William herüber und wechselte einen verständnisinnigen Blick mit ihm.
»Ich möchte mich noch einmal für Eure Geschenke bedanken«, sagte William. »Sie sind sehr … bedachtsam ausgewählt.«
Roger rieb sich den Nacken.
»Die Wiege war Idas Idee.«
William kicherte leise.
»Eure Frau ist sehr warmherzig und verfügt über eine ausgezeichnete Intuition. Vielleicht können wir, wenn Gott gnädig ist und sich ihr Geschenk als prophetisch erweist, eines Tages über eine engere Verbindung zwischen den Familien Bigod und Marshal sprechen.«
»So etwas würde auf mein vollstes Einverständnis stoßen«, erwiderte Roger, »und zwar nicht nur wegen gemeinsamer Ziele.«
William warf ihm einen wissenden Blick zu.
»Ich weiß, wann ich schweigen muss und wann ich den Mund aufzumachen habe, das habt Ihr sicher schon bemerkt.«
»Ihr steht in der Tat in dem Ruf, äußerst diskret zu sein«, bestätigte Roger.
»So wie Ihr auch. Wenn König Richard nach England zurückkehrt, wird er viele Dinge zu regeln haben. Die Entscheidung bezüglich der Grafschaft Eures Vaters hätte schon längst fallen müssen.«
Roger sog zischend den Atem ein.
»Findet Ihr das, oder wisst Ihr mehr, als Ihr sagt?«
»Ich weiß, dass der neue König den Männern Zugeständnisse machen wird, von denen er glaubt, dass sie ihm die Treue halten werden, wenn er sich auf seinem Kreuzzug befindet.« William blickte auf seine verschränkten Arme hinab. »Es versteht sich von selbst, dass die Schatztruhen, aus denen dieser Kreuzzug finanziert werden soll, für alle dem König zugedachten Gaben weit offen stehen.«
Roger gestattete sich nicht, mehr als nur einen kleinen Funken Hoffnung zu
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