Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
empfinden.
»Richard kennt mich nicht«, gab er vorsichtig zu bedenken, »oder zumindest nur von ein paar flüchtigen Begegnungen bei Hof. Sein Vater zog es vor, den dritten Penny der Grafschaft und die Einkommen aus meinen Ländereien in seine Truhen zu leiten.«
»Das stimmt, aber ich kenne Richard, und er kennt mich und vertraut meinem Urteil. Und es schadet Eurer Sache auch nicht, dass Eure Frau die Mutter des Halbbruders des Königs ist. Richard schätzt Verwandtschaftsbande.«
Es gelang Roger, bei der Erwähnung von Idas erstem Kind mit keiner Wimper zu zucken. Nun, wo Henry tot war, stand einem engeren Kontakt zwischen den beiden nichts mehr im
Weg, und ihm blieb nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden.
»Ich stelle das in Euer Ermessen, Mylord, und spreche Euch meinen Dank aus.«
»Ich kann nichts versprechen, aber ich werde tun, was ich kann. Ihr habt mir in der Vergangenheit mehrfach geholfen, daher würde es mich freuen, wenn ich mich dafür erkenntlich zeigen kann.« William verneigte sich und entschuldigte sich, um sich wieder seiner Braut zu widmen.
Der Himmel schimmerte in einem tiefen Indigoblau, als die Jungvermählten unter Glückwünschen und zotigen, aber gut gemeinten Scherzen in ihre Kammer geführt wurden. Für diejenigen, die noch nicht genug getanzt und getrunken hatten, nahm das Fest im Schein der Sterne und Laternen seinen Fortgang. Roger setzte sich in dem warmen Garten auf eine Bank, nippte an einem letzten Becher Wein und sog den Duft der Nacht ein. Ida gesellte sich zu ihm, lehnte sich gegen seine Schulter und strich mit einem Finger über seinen Unterarm. Die Fensterläden von Williams und Isabelles Kammer hinter ihnen standen offen, aber kein Laut drang zu ihnen herüber.
Roger legte einen Arm um Idas Schultern.
»William Marshal meint, die Chancen, dass Richard mir, uns, die Grafschaft zurückgibt, stehen gut. Er will mit ihm sprechen und sehen, was er tun kann.«
Sie hielt mit dem Streicheln inne und sah ihn an.
»Es gibt allerdings immer Fallstricke«, fuhr er fort, »und den Launen von Königen ist nicht zu trauen, aber ich traue William.« Er drückte sie kurz an sich. »Vielleicht bekommst du doch noch ein Gewand aus Goldstoff und den Titel einer Countess.«
Sie verflocht ihre Finger mit den seinen.
»Mehr als alles andere wünsche ich mir, dass deine Ansprüche
endlich anerkannt werden. Ich möchte, dass du das erhältst, wofür du so lange gekämpft hast. William Marshal hat sich für die Belohnung abgeplagt, die ihm jetzt zuerkannt worden ist, das weiß ich, aber du auch, und dennoch hast du bislang nichts erreicht.«
»Weil sich zu Henrys Lebzeiten nichts wirklich ändern konnte. Zwischen ihm und meinem Vater ist zu viel vorgefallen, was er nicht vergessen und verzeihen konnte und mich hat büßen lassen. Er hätte mir die Grafschaft nie zugesprochen.«
Ida schwieg einen Moment, fuhr aber fort, sacht mit ihren ineinander verschlungenen Fingern zu spielen.
»Obstgärten sind immer gute Plätze für uns gewesen, nicht wahr?«
Er berührte sanft ihre Wange.
»Die besten«, erwiderte er und dachte, dass William heute Nacht nicht der einzige glückliche Mann auf der Welt war.
William FitzRoy saß wie betäubt auf seinem Bett. Sein Vater war tot. Überall hatten die Kirchenglocken sein Dahinscheiden verkündet, und es wurden Messen für seine Seele gelesen. William hatte seine Rolle gespielt, die richtigen Worte gesprochen, die letzten Pflichten gegenüber seinem Vater erfüllt und sich bemüht, den hohen Erwartungen zu entsprechen, die an den Sohn eines Königs gestellt wurden. Aber jetzt, wo alle Zeremonien und Rituale vorüber waren, hatte er Zeit zum Nachdenken, und alle Ungewissheiten seines Lebens stürmten wieder auf ihn ein. Man hatte ihm versichert, dass sein Halbbruder Richard für ihn sorgen würde und seine Zukunft gesichert war, obwohl sein Vater ihn in seinem Testament nicht bedacht hatte. An der Hofhaltung würde sich kaum etwas ändern. Seine Ausbildung und Erziehung würden ihren Fortgang nehmen, als sei nichts geschehen. Trotzdem hatte sich unter seinen Füßen ein
Abgrund aufgetan. Sein Vater war tot, und er wusste immer noch nicht, wer seine Mutter war.
Eine der Wäscherinnen hieß Ida, und die Befürchtung, sie könne ihn zur Welt gebracht haben, lastete wie ein Mühlstein auf ihm, denn sie war übellaunig, ungehobelt und sprach mit einem starken flämischen Akzent. Wie konnte sein Vater sie in sein Bett genommen haben? Es war eine
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