Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
eingewachst.
Roger war froh, dass Ida nichts von Williams Teilnahme an der Reise wusste, weil sie sonst vor Angst keine ruhige Minute gehabt hätte. Seine eigene Abreise war schwer genug für sie gewesen, und aufgrund ihrer Reaktion auf Longchamps Forderung, Hugh als Geisel zu stellen, hatte er ihr verschwiegen, dass auch der Name ihres Erstgeborenen auf der Liste stand.
»Es wird Zeit, an Bord zu gehen«, sagte er.
Der Junge nickte steif. Er hielt den Kopf hoch erhoben, trug eine gebieterische Miene zur Schau und ignorierte alle anderen ringsum. Roger begriff, dass er so seine Beklemmung zu verbergen versuchte, dachte aber voller Stolz, dass seine eigenen Söhne und Töchter sich nie so benehmen würden. Sie waren dazu erzogen, allen Menschen gegenüber, unabhängig ihres Ranges, Höflichkeit walten zu lassen. Seiner Meinung nach war das ein Zeichen wahrer Vornehmheit. William verhielt sich, als sei es eine Schande für ihn, Umgang mit Rangniedrigeren zu pflegen.
Roger hatte ihn einladen wollen, damit er seine Mutter und
seine Halbgeschwister kennen lernte, aber dann war er immer zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. Es hatte sich nie eine geeignete Gelegenheit für einen Besuch ergeben, vor allem auch deshalb, weil er diesbezüglich äußerst gemischte Gefühle hegte. Er verschob das Ganze lieber auf einen unbestimmten Zeitpunkt, als sich festzulegen.
Er blickte zu der Hafenausfahrt hinüber, als er an Deck ging, und sah, dass der Regen draußen auf dem Meer einen dichten grauen Schleier bildete.
»Die Überfahrt wird ziemlich nass und ungemütlich werden«, sagte er, als er sich zu William unter den Unterstand an Deck gesellte. »Hast du festeres Schuhwerk im Gepäck?«
William runzelte die Stirn.
»Ja, meine Reitstiefel«, erwiderte er, wobei seine gekräuselten Lippen verrieten, was er davon hielt, seine schmucken roten Schuhe gegen eine gewöhnlichere Fußbekleidung zu vertauschen.
»Dann schlage ich vor, du ziehst sie an, wenn du die Schuhe, die du jetzt trägst, für den Hof des Kaisers aufheben willst. Das Salzwasser wird sie sonst ruinieren.« Roger zuckte die Achseln. »Aber das ist nicht meine Sache. Ich bekomme ja keine nassen Füße. Es kommt darauf an, als was du lieber auftreten willst, als aufgeputzter Geck oder als Soldat.«
William errötete, schob einen Fuß vor und betrachtete ihn. Roger sah ihm an, dass er schwankte, ob er Eleganz praktischen Erwägungen vorziehen sollte. Er wandte sich ab, beobachtete den Jungen aber aus den Augenwinkeln heraus, weil seine Entscheidung ein Indiz für seinen Charakter war, aus dem er schließen konnte, wie er ihn behandeln musste.
Endlich seufzte William tief, rief seinen Leibdiener und vertauschte die weichen roten Ziegenlederschuhe mit den schlichten Reitstiefeln. Roger verkniff sich jegliche Bemerkung, schwor
sich aber, dafür zu sorgen, dass William FitzRoy innerhalb kurzer Zeit sein Ale auch aus einem Holzbecher trinken würde.
Als die Gezeiten wechselten, lösten die Seeleute die Seile und setzten die Segel. Der Junge verließ den Unterstand, um ihnen zuzusehen, und kam erst zurück, als der Regen stärker und der Wind schneidender wurde. Seine Reitstiefel waren durchnässt, aber in stillschweigendem Einverständnis verloren sie kein Wort darüber.
Das Schiff pflügte durch die Wellen wie ein kräftiges Pferd, das gegen den Wind ankämpfte. Roger setzte sich unter dem eingeölten Segeltuch auf die Schaffelle, die den Boden bedeckten. Die Ritter ließen Weinkrüge kreisen, und Rogers Koch trug Brot, Käse und geröstetes Truthahnfleisch auf. William aß und trank mit ihnen, ließ aber durchblicken, dass diese einfache Mahlzeit bei weitem nicht gut genug für ihn war und er sich nur damit zufriedengab, weil nichts anderes zur Verfügung stand. Roger duldete sein Benehmen kommentarlos. Er würde mit dem Jungen umgehen wie mit einem jungen Pferd, mit dessen Ausbildung ein anderer begonnen hatte und die er nun fortsetzen musste. Immer wieder bezog er William in die Unterhaltung mit ein, ohne ihm zu schmeicheln, aber auch, ohne ihn herabzusetzen.
Anketil zog ein ledernes Spielbrett und beinerne Würfel aus seinem Gepäck. Er und Roger spielten drei Partien, von denen Roger die erste verlor und die nächsten beiden gewann.
»Spielst du auch?«, wandte er sich an William, der ihnen aufmerksam zugeschaut hatte.
Dessen Antwort bestand in einem argwöhnischen Achselzucken.
»Manchmal.«
Roger bedeutete ihm, Anketils Platz
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