Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
geblieben, aber ich sagte, ich würde hierher reiten und morgen wieder zu ihnen stoßen.« Er schnitt eine Grimasse. »Es wird eine unangenehme Nacht werden, und morgen früh sind die Straßen wieder kaum passierbar, und die Furt führt Hochwasser.« Er reichte einem Diener seinen Umhang und wusch sich Hände und Gesicht mit dem Wasser aus dem Krug, der auf einem niedrigen Schrank stand. »Ich muss zwei Gerichtsbezirke auf die Liste setzen. Wenn ich hier fertig bin, wünscht der König, dass ich Warwick und Leicester bereise. Ich habe den Brief heute erhalten.«
»Er lässt dich schuften wie einen Ackergaul«, bemerkte Ida missbilligend.
Roger seufzte erschöpft.
»Der Titel eines Earls und die damit verbundenen Privilegien haben ihren Preis, wie wir beide wissen. William Marshal steht fast das ganze Jahr für ihn in Frankreich im Feld, und in meinem Alter sitze ich lieber bequem auf einer Richterbank und höre mir von morgens bis abends Bittgesuche an, statt in voller Rüstung eine Belagerungsleiter hochzuklettern.«
Die Vorstellung jagte Ida einen kalten Schauer über den Rücken. Sie schenkte ihm heißen Wein ein und überlegte, wie Williams Frau Isabelle diese Situation wohl ertrug. Sie hatte jetzt drei Kinder, die Jungen waren sechs und fünf, die Tochter,
die um die Zeit von Richards symbolischer Krönung zur Welt gekommen war, begann gerade zu laufen. Dass ihr Vater mehr als die Hälfte des Jahres für den König in den Krieg zog, musste für Isabelle eine schwere Belastung und Quelle ständiger Furcht und Sorge sein. Roger hatte zwar auch Militärdienst zu leisten, aber wenigstens nur sechs Wochen und keine sechs Monate.
Sie reichte auch Hugh einen Becher Wein und küsste ihn auf die Wange. Er war jetzt schon größer als sie und würde später einmal auch seinen Vater überragen. Seine Stimme war tiefer geworden, er entwickelte allmählich einen Adamsapfel, und ein weicher goldener Flaum bedeckte seine Oberlippe. Ida wusste nicht, ob sie den Verlust ihres kleinen Jungen beweinen oder vor Stolz auf den jungen Mann platzen sollte, der aus dem Kokon des Kindes schlüpfte.
»Vor kurzem ist ein Bote eingetroffen.« Sie befahl einem Diener, das Bündel Briefe zu holen, das der Mann gebracht hatte.
Während er eine heiße Pastete verzehrte, die frisch aus der Küche gebracht worden war, studierte Roger die Siegel auf den verschiedenen Dokumenten.
»Erzbischof Hubert und der König«, teilte er Ida mit, erbrach die Siegel und überflog die Briefe. »Weitere Instruktionen bezüglich der Witwen und Mündel«, stöhnte er. »Der König gleicht einem Ährenleser auf einem Stoppelfeld, jedes Körnchen muss aufgelesen und gemahlen werden. Ah, und was haben wir hier?« Er befasste sich mit dem zweiten Schreiben.
Ida sah ihn an.
»Gibt es Probleme?« Sie war inzwischen immer sehr auf der Hut, wenn die Boten, die ein ständiger Teil von Rogers Alltagsleben waren, Briefe brachten, weil sie für gewöhnlich nur noch mehr Arbeit für ihn bedeuteten.
»Ganz und gar nicht.« Er nickte ihr beruhigend zu. »Roger de Glanville ist tot.«
Idas Lippen formten die Worte, während sie sie in ihr Bewusstsein sickern ließ.
»Was bedeutet das für uns?«
»Gundreda ist wieder Witwe. Sie wird am Hof an Einfluss verlieren, obwohl der Kanzler natürlich auch weiterhin ihr und meinem Bruder Gehör schenken wird, weil das auch in seinem Interesse liegt.« Seine Lippen kräuselten sich angewidert. Longchamp verlangte von ihm immer noch Abstandszahlungen für die Landsitze, die Gundreda und Huon für sich beanspruchten. Das Dokument, das Roger den Titel, die Grafschaft und das zu seinem Erbe gehörende Land zusicherte, war wertlos, solange der König und sein Kanzler nichts unversucht ließen, dem Volk Geld abzupressen. Auch an Gundreda würden Forderungen gestellt werden. Silber war Silber und die Schatzkammer fast leer – einer der Hauptgründe, warum er von Grafschaft zu Grafschaft zog, Bittsteller anhörte und selbst kleinste Vergehen mit Geldstrafen ahndete oder Sachwerte beschlagnahmte. Zehn Mark hier, drei Shilling acht Pence dort, zwei Pferde, ein Falke, ein Sattel … »Der Griff wird gelockert, wenn auch nur ein wenig. Wir müssen abwarten, wie es weitergeht.«
Er griff nach einem weiteren Brief, der ein dunkelgrünes Wachssiegel trug. Ida erkannte das Zeichen eines Ritters auf einem Pferd auf der einen und eines Schildes mit kleinen Löwen auf der anderen Seite sofort und verspürte wie immer ein freudiges Kribbeln im
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