Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
auf ihre Gesprächspartnerin.
»So?« Gundredas Nasenflügel bebten. »Neuigkeiten verbreiten sich hier schnell.« Ihre Nase war spitz und ihre Haut so dünn, als drohten die Knochen jeden Moment durchzubrechen. Ihre Lippen waren schmal und trocken, die Wangen von feinen
Äderchen durchzogen, doch ihre Augen funkelten in einem klaren Grün und wären schön gewesen, hätte nicht ein so verbitterter Ausdruck darin gelegen.
Noch vor ein paar Monaten wäre Ida verlegen errötet, aber seither hatte sie ein dickeres Fell bekommen.
»Ich bin Ida de Tosney, das Mündel des Königs. Ich glaube, wir sind durch meine Mutter miteinander verwandt.«
Gundreda neigte den Kopf zur Seite.
»Ich freue mich, Eure Bekanntschaft zu machen, obwohl ich Eure Familie nicht kenne, ich habe nur von ihr gehört. Ihr habt noch einen Bruder, nicht wahr?«
»Ja, Mylady. Er lebt auch bei einem Vormund, aber in der Normandie. Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesehen«, fügte sie wehmütig hinzu.
»Dann wollen wir hoffen, dass er weniger Schwierigkeiten hat, sein Erbe einzufordern, als ich und meine Söhne«, erwiderte Gundreda ätzend.
»Ich bedauere Euren Verlust«, murmelte Ida und spürte die Anspannung, die zwischen ihnen entstanden war. Sie war bestrebt, das Richtige zu sagen, fühlte sich aber verunsichert und eingeschüchtert. »Ich bete, dass Gott Euch Kraft schenkt.«
Gundreda of Norfolk sah sie verkniffen an.
»Ich brauche nicht die Hilfe Gottes, sondern die des Königs – und Gerechtigkeit.«
»Ich bin sicher, Ihr werdet beides erhalten, Mylady.«
»Ich bin die Witwe des Earl of Norfolk, da sollte man das eigentlich meinen.«
Ida fiel auf, wie fest Gundreda mit der linken Hand die rechte umklammerte. Mit dem Daumen rieb sie unaufhörlich über einen schweren Goldring. Besorgt legte Ida ihre Näharbeit beiseite und holte ihrer Verwandten eigenhändig einen Becher Wein, statt einen Diener herbeizurufen.
»Es heißt, Euer Gemahl sei gestorben, nachdem er das Kreuz genommen hatte«, versuchte sie Gundreda Trost zu spenden, als ihr diese für den Wein dankte und daran nippte. »Sicherlich ist er jetzt im Himmel.«
»Wo sich mein Mann jetzt befindet, interessiert mich nicht«, erwiderte Gundreda kalt. »Vom Anfang bis zum Ende unserer Ehe war er ein Bastard, und wenn sein letztes ewiges Heim die Hölle ist, so möge er dort verrotten. Meine Sorge gilt meiner Mitgift und dem Erbe, das meinen Söhnen zusteht. Es ist sehr leicht, Witwen, Erbinnen und Mündel um ihr rechtmäßiges Eigentum zu betrügen.« Ihr Blick wanderte zu den jungen Männern am Feuer.
»Ich hoffe, Ihr habt Erfolg, Mylady.« Innerlich war Ida ob Gundredas Einstellung schockiert. Wie konnte man nur in solcher Weise über einen anderen Menschen sprechen?
Ein ernst wirkender Mann mit braunem Bart blickte in ihre Richtung. Sein Mantel war mit Eichhörnchenpelz besetzt, seine Tunika wies das kostbare Blauschwarz von Färberwaid auf. Ida kannte Roger de Glanville nicht gut, obwohl sie ihn erkannte. Er gehörte zu den Beamten, denen die Verwaltung des Hofes oblag. Ein älterer Bruder, Ranulf, bekleidete ein ähnliches Amt, ein jüngerer war der Kastellan von Henrys Burg in Orford.
»Mein Anwalt«, erklärte Gundreda. »Entschuldigt mich bitte.«
Ida sah zu, wie sie zu dem Mann hinüberging und kurz mit ihm sprach, ehe sie, eine Hand auf seinen Ärmel gelegt, mit ihm den Raum verließ. Die Geste stimmte Ida nachdenklich. Gundredas Söhne folgten den beiden, sie erinnerten Ida an Hunde, die hinter ihrem Herrn hertrotteten. Der Ältere warf ihr einen Blick zu, in dem sich Spekulation mit etwas mischte, was sie inzwischen als raubtierhaftes Aufglimmen erkannte. Er flößte
ihr Unbehagen ein, aber sie errötete unter solchen Blicken inzwischen nicht mehr. Sechs Monate bei Hof hatten sie viel über Männer und einiges über sich selbst gelehrt.
Als sie an diesem Abend ihre Gebete sprach, fügte sie auch eines für die Seele des Earl of Norfolk und eines für Countess Gundreda hinzu.
Zwei Tage später befand sich Ida in der Halle, als sich die Countess ihr erneut näherte. Diesmal spielte ein gezwungenes Lächeln um Gundredas Lippen, und ihre Augen funkelten so hell und hart wie Peridots.
»Ist es Euch gelungen, zum König vorgelassen zu werden, Madam?«, erkundigte sich Ida höflich.
Gundreda nickte.
»Master Glanville hat mit ihm über mein Anliegen und das meiner Söhne gesprochen.« Sie blickte zu ihren Sprösslingen hinüber, die sich mit einigen neuen
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