Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
trug, am Fenster und spielte mit Henrys jüngstem Sohn John, der vor kurzem zehn geworden war, Würfelschach. Er war ein begabtes, intelligentes Kind mit einem strahlenden Lächeln und einer trügerischen Aura von Unschuld, hinter der sich Grausamkeit verbarg. Man konnte ihm nicht trauen. Er scheute nicht vor Betrug zurück, um zu gewinnen, weswegen niemand gern mit ihm spielte. Er hatte Ida an ihrem Platz am Fenster bedrängt, bevor sie hatte flüchten können. Ida mochte John nicht, aber er tat ihr leid, und es lag nicht in ihrer Natur, ein Kind zurückzuweisen. Königin Eleanor, seine Mutter, stand wegen ihrer Beteiligung an der Rebellion gegen den König vor drei Jahren in Salisbury unter Hausarrest, und John sah sie nur selten. Seine Brüder waren bereits erwachsene Männer mit eigenem Gefolge und eigenen Interessen, und als Letztgeborener musste er um sein Erbe bangen.
Nachdem er gewürfelt und seinen Zug gemacht hatte, richteten sich Johns haselnussbraune Augen auf eine dunkel gekleidete Frau, die mit zwei jungen Männern im Schlepptau soeben den Raum betreten hatte.
»Gundreda, die Witwe des Earl of Norfolk, und ihre Söhne sind gekommen, um meinem Vater ihren Respekt zu bezeugen«,
verkündete er. Ein Funke von Boshaftigkeit glomm in seinen Augen auf. Politik und Intrigen waren ebenso ein Teil von ihm wie die Statur seines Vaters und der Teint seiner Mutter, sie lagen ihm im Blut.
Ida blickte sich um.
»Ihr kennt sie, Sire?« Gundreda war ihre Base zweiten Grades, aber sie war ihr noch nie begegnet oder hatte mit ihr gesprochen.
John schüttelte den Kopf.
»Ich habe nur von ihnen gehört. Sie haben heute früh versucht, mit meinem Vater zu sprechen, aber er war zu beschäftigt und hat sie nicht vorgelassen. Ich habe mitbekommen, wie Gundreda John Marshal angefleht hat, ihr eine Audienz zu verschaffen, aber er hat sich geweigert.«
Ida erinnerte sich daran, gehört zu haben, dass Gundredas Mann Earl Hugh Bigod in Flandern gestorben war. Die Gerüchte, er habe das Kreuz genommen, hatten zwar der Wahrheit entsprochen, aber aufgrund seiner schwachen Gesundheit war er nur bis Saint-Omer gekommen. Zwischen Nase und Mundwinkel seiner Witwe verliefen tiefe Furchen, und in ihren Augen las Ida wachsames Misstrauen, aber keine Trauer. Ihr älterer Sohn war ungefähr so groß wie Henry, hatte einen blassen Teint, einen gelblichen Bart und denselben argwöhnischen Blick wie seine Mutter. Der jüngere, dunkelhaarige wirkte träge, sein Bauch hing wie ein Teigklumpen über den Gürtel seiner Tunika.
»Ich glaube kaum, dass sie für meinen Vater von Interesse ist«, bemerkte John verächtlich. »Nur wenn sie ihm ein gutes Tauschgeschäft anbieten kann. Sie hat ein Gesicht, das Milch sauer werden lässt, und einen Körper wie ein Sack Rüben.«
Ida presste die Lippen zusammen und tat John nicht den Gefallen, schockiert zu reagieren, denn genau das war es, was er wollte. Sie würfelte, machte ihren Zug und brachte ihn in
eine schwierige Position. Als er sie finster anfunkelte, begriff sie, dass sie den Fehler begangen hatte, ihn nicht gewinnen zu lassen. Wo Henry gelacht und sie ein kluges Mädchen genannt hätte, bekam John schmale Augen. »Jedenfalls braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen«, zischte er. »Ihr werdet sicher die bevorzugte Matratze meines Vaters bleiben.« Er fegte die Figuren zur Seite, sodass die Aufstellung nicht mehr zu erkennen war, erhob sich und rauschte mit dem Gebaren von jemandem, der meint, die Welt gehöre ihm, aus dem Raum.
Vor Wut und Demütigung schäumend legte Ida die Figuren sorgfältig in ihr Kästchen zurück. Welchen Schmerz in seinem Leben er auch immer kompensieren wollte, er hatte kein Recht, solche Dinge zu ihr zu sagen. Aber sie würde sich nicht auf Johns Niveau begeben und Henry alles erzählen, der vermutlich ohnehin nur lachen und den Vorfall als jugendliche Frechheit abtun würde, aber sie schwor sich, dass sie John von nun an aus dem Weg gehen und auch kein Mitgefühl mehr für ihn aufbringen würde.
»Darf ich Euch Gesellschaft leisten, Mistress?«
Als Ida aufblickte, stand Gundreda of Norfolk vor ihr. Ihre Söhne waren nicht mehr an ihrer Seite, sondern unterhielten sich etwas entfernt mit einigen anderen jungen Männern und wärmten sich am Kamin auf.
Ida stand auf, knickste, setzte sich wieder und rückte zur Seite, um für ihre Verwandte Platz zu machen.
»Lord John hat mir gesagt, wer Ihr seid.« Sie schluckte ihren Ärger hinunter und konzentrierte sich
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