Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
sie drängten wie Hunde, die auf einen Hirschen losgelassen worden waren. Auf Männer, denen man von klein auf eingeprägt hatte, dass Fruchtbarkeit und Mutterschaft die beiden erstrebenswertesten Eigenschaften von Frauen waren, auf Männer, die das Bild der Christus stillenden Mutter Gottes anbeteten und deren erster Kontakt mit der Welt außerhalb des Mutterleibes eine weiche, Milch gebende Brust gewesen war, musste dieser Anblick unerträglich erregend wirken.
Einige Soldaten konnten nicht länger an sich halten. Sie hoben die Frau vom Tisch und trugen sie zu dem Stroh in einer Ecke des Raumes. Ein Mann stieß zwischen ihre gespreizten Schenkel, während seine Freunde sich ihrer Hände, ihres Mundes und ihrer Brüste bedienten. Anketil, Hamo und Oliver schoben sich nach vorne, um zuzusehen, bis sie an die Reihe kamen. Roger
folgte ihnen, aber als er die hechelnde, anfeuernde Menge sah, verflog seine Begierde augenblicklich, und zurück blieben nur Abscheu und ein bedrücktes Gefühl, das dem Erwachen aus einem sündigen Traum gleichkam. Was diese Männer taten, mussten sie mit ihrem Gewissen vereinbaren, aber er hatte genug. Er machte auf dem Absatz kehrt, verließ den Wachraum, warf aber auf dem Weg zur Tür gleichfalls ein Silberstück auf den Tisch und erneuerte seinen persönlichen Schwur, eine Frau nur auf respektvolle, ehrenhafte Weise zu nehmen.
8
Winchester,
Ostern 1179
Nachdem er vor den Ställen von Windsor Castle abgestiegen war, übergab Roger sein Pferd einem Stallburschen. Ein frischer Aprilwind fuhr durch die Eisvogelfedern auf seinem Hut, dessen breite Krempe seine Augen vor der hellen Frühlingssonne schützte. Auf dem schindelbesetzten Stalldach balzten zwei Tauben. Ihr Anblick entlockte Roger ein trockenes Lächeln, weil er ihn an die Tänze in der Halle des Königs erinnerte. Für Tauben war es leichter als für Menschen, einen Partner zu finden.
Er hatte sich einige Wochen lang auf seinem Grundbesitz in der Nähe von Bayeux aufgehalten, aber es empfahl sich nicht, dem Hof zu lange fernzubleiben. Aus den Augen bedeutete aus dem Sinn, und er musste dafür sorgen, dass seine Anwesenheit bemerkt und positiv registriert wurde. Da Henrys ältester Sohn gerade seinen Vater besuchte, war es ein vernünftiger politischer
Schachzug, sich gleichfalls dort blicken zu lassen. Abgesehen von dem Besuch seiner Familienländereien war Roger fast ständig mit dem König zusammen gewesen. Er hatte Verwaltungsarbeiten erledigt, rechtliche Fragen geklärt und dafür gesorgt, dass Henry mitbekam, wie lange und hart er arbeitete. Er hatte Freundschaften geknüpft, Kontakte hergestellt und seine Position gefestigt. Bei Hof war es von elementarer Bedeutung, die Räder zu schmieren, aber das Öl musste behutsam und nicht verschwenderisch nur des Effekts wegen aufgetragen werden. Nachhaltigkeit war es, die zählte, und diese anzustreben erforderte harte Arbeit und Weitsicht.
Er wandte sich zu dem Pferd, das mit einem Seil am Sattel seines Reittiers befestigt war, und löste die Zügel. Die Stute stammte aus Rogers Zucht bei Montfiquet und war als Geschenk für Henry gedacht. Ihr Fell schimmerte wie heller Honig, nur über den Rumpf verliefen bernsteinfarbene Streifen. Mähne und Schweif glänzten wie silbriger Schnee, und ihr Gang war so weich, dass sie einen Reiter einen ganzen Tag lang tragen konnte, ohne dass diesen am Ende alle Knochen im Leib schmerzten. Mit sechsundvierzig erreichte Henry ein Alter, wo derartige Bequemlichkeiten stärker zählten als früher.
Er gab dem Stallburschen gerade Anweisungen bezüglich der Behandlung der Stute, als ein weiterer Mann auf einem Schlachtross eintraf, der ein Packpferd am Zügel führte. Rogers Blick wanderte zuerst zu den Pferden. Er bewunderte den jungen rotgoldenen Hengst und das schöne eisengraue Pferd des Reiters – beides vorzügliche Tiere. Dann betrachtete er den Reiter und begriff, warum die Qualität der Pferde so hoch war. William Marshal war der Kommandant des Militärhaushalts des jungen Königs. Er war der anerkannte Champion aller Turniere und im Fußkampf und Steinwurf ungeschlagen. Die jungen Männer bei Hof trachteten alle danach, es ihm gleichzutun.
William nickte Roger zu, obgleich seine Aufmerksamkeit gleichfalls mehr den Pferden als ihrem Reiter galt.
»Ein prächtiges Tier, Mylord«, stellte er bewundernd fest.
Roger strahlte vor Freude. Ein Anflug von Stolz schlich sich in seine Stimme.
»Es ist ein Geschenk für den König. In
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