Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
weiter werfen, als man ihm es aufgrund seines Körperbaus zugetraut hätte, aber fast immer gewannen die hochgewachsenen, kräftigen Ritter. Wäre William Marshal hier gewesen, hätte kein anderer eine Chance gehabt, er war noch nie besiegt worden, aber da Marshal in der Normandie weilte, versprach der Wettbewerb interessant zu werden. Roger sah zu, wie einer von Henrys jungen Rittern seine Tunika raffte, sich niederkauerte, herumwirbelte und den Stein mit einem Grunzlaut
von sich schleuderte. Er flog, ein dunkler Schatten unter dem Nachthimmel, durch die Luft, bevor er mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden aufschlug. Als der Wettbewerb seinen Fortgang nahm, gesellten sich weitere Zuschauer zu den Umstehenden, darunter auch die ungewöhnlich große Geva de Galle mit ihrem Pferdegebiss. Als er ihr Platz machte, wäre Roger fast auf die Füße desjenigen getreten, der hinter ihm stand. Er drehte sich um, um sich zu entschuldigen, und stand Ida de Tosney gegenüber. Sie begegnete seinem verwirrten Blick mit sanften braunen Rehaugen.
»Ich bitte um Verzeihung, Demoiselle, ich habe Euch nicht bemerkt«, entschuldigte er sich hölzern.
»Es ist ja meine Schuld, warum muss ich Euch auch im Weg stehen.« Sie bedachte ihn mit einem Lächeln, sodass ihre Grübchen hervortraten. »Und vielleicht bin ich ja leicht zu übersehen?«
»Ganz und gar nicht, Demoiselle.« Roger bedeutete ihr, sich vor ihn zu stellen, damit sie dem Geschehen besser folgen konnte. Ihr rosafarbener Schleier betonte das dunkle Funkeln ihrer Augen.
»Ich glaube nicht, dass irgendjemand Euch übersehen kann.«
Die Grübchen vertieften sich, und sie warf ihm über die Schulter hinweg einen warmen Blick zu, bevor sie ihre Aufmerksamkeit dem Wettkampf zuwandte. Roger vermied es, de Sandford und le Breton anzusehen, er wusste, dass sie feixen würden. Großer Gott, dachte er, was, wenn sie wirklich ein Auge auf mich geworfen hat? Beunruhigt versuchte er, sich auf das Steinewerfen zu konzentrieren, konnte aber nicht widerstehen, zwischen den Würfen zu Ida hinüberzuschielen, und erschauerte, als sie sich umdrehte und ihn musterte, als hätte er sie mit mehr als nur den Augen berührt. Ihre Mundwinkel zogen sich nach oben, als würde sie sich heimlich über
etwas freuen. Er fragte sich, wie es wohl wäre, sie zu küssen, und verbannte die Vorstellung so entschlossen aus seinen Gedanken, als würde er eine Truhe zuklappen, die etwas enthielt, das andere nicht sehen sollten. Und wenn sie noch so bezaubernd war, Ida de Tosney war ein Feuer, an dem sich jeder die Finger verbrannte, der dumm genug war, die Hand danach auszustrecken. Nur ein Narr wilderte im Territorium des Königs.
»Werft Ihr den Stein auch einmal, Messire Bigod?«, fragte sie. Ihre Stimme war klar und melodisch, und er musste den Blick von ihren Lippen losreißen, als sie die Worte formten.
»Ich bin recht gut darin, Mistress de Tosney«, erwiderte er, bewusst nur auf die Kämpfer achtend. »Aber nicht gut genug, um mich mit diesen Rittern messen zu können.«
»Ah, Ihr beteiligt Euch also nur an Wettstreiten, von denen Ihr meint, sie gewinnen zu können?«, erkundigte sie sich mit einem schelmischen Lächeln.
Roger rang sich gleichfalls ein Lächeln ab.
»Wenn das der Fall wäre, Demoiselle, würde ich mit dem Earl of Surrey nie Schach spielen oder würfeln, aber im Moment schaue ich den Steinewerfern lieber zu, als mich ihnen anzuschließen.«
»Das würde ich auch tun.« Wieder erschienen die Grübchen, und sie neigte den Kopf zur Seite. »Ein herrliches Pferd habt Ihr Euch heute Morgen angesehen.«
Er nickte argwöhnisch.
»Thomas wollte ein neues Pferd, das die Gangarten gut beherrscht. Es ist ein schönes Tier. Ich hätte es selbst gekauft, wenn er es nicht genommen hätte.«
»Ihr versteht etwas von Pferden?«
Er zuckte die Achseln.
»Ein wenig.«
»Der Art nach zu urteilen, wie Ihr das Pferd die Gangarten habt durchexerzieren lassen, wohl mehr als nur ein wenig.«
»Auf meinem Land gibt es gute Weiden.« Wieder lächelte er. »Es mag töricht von mir sein, aber ich möchte die besten Schlachtrösser des Christentums züchten.«
»Das halte ich ganz und gar nicht für töricht. Jeder sollte irgendein Ziel anstreben.« Sie trat näher zu ihm. »Was macht denn ein gutes Schlachtross aus – Kraft?«
»Kraft auch, aber es muss zugleich schnell und auf engem Raum gut lenkbar sein. Dazu fügsam und intelligent, ausdauernd und imstande, längere Zeit mit wenig Futter
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