Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rosen von Montevideo

Die Rosen von Montevideo

Titel: Die Rosen von Montevideo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
Vom Netzwerk:
und Tritt begleitet hatte, weil sie sich doch bei jeder Gelegenheit verraten könnte. Bei den gemeinsamen Mahlzeiten hatte sie sich aus Angst, das Falsche zu sagen, immer als sehr wortkarg erwiesen. Jetzt konnte sie gar nicht genug bekommen, von dem Gesangsunterricht zu erzählen, den Nicolas ihr erteilte.
    Selbstverständlich musste sie vor den Großeltern verheimlichen, dass ihre Faszination weniger den Liedern von Schubert galt als vielmehr ihrem Lehrer, aber sie sang – das war wohl ein Erbe ihres Vaters – wirklich gerne, und Nicolas machte ihr immer wieder Komplimente. Nicht nur ihre Stimme lobte er und wie mühelos sie selbst die hohen Töne traf, sondern auch ein neues Kleid, eine hübsche Brosche, vor allem ihr liebreizendes Lächeln. Davon wussten ihre Großeltern natürlich nichts, und obwohl sie manchmal angesichts ihres Übereifers etwas befremdet wirkten, schienen sie sich zu freuen, dass sie für etwas eine derart große Leidenschaft zeigte – werteten sie dies doch als Zeichen, dass sie nicht länger an ihrer Kopfverletzung litt.
    Bis jetzt hatte Carlota befürchtet, unter anderem auch deshalb aufzufallen, weil sie sich schwerfälliger bewegte als andere Mädchen ihres Alters, die von klein auf gewohnt waren, in spitzen Schuhen zu trippeln, und niemals harte Arbeit verrichtet hatten, doch die Liebe machte sie anmutig, ließ ihre Augen glänzen, färbte ihre Wangen rosa.
    Es war ein ebenso berauschendes wie fremdes Gefühl. Carlota hatte oft andere Mädchen über die Liebe tuscheln gehört, aber stets geglaubt, dass sie nur die richtige Partie suchten. Sie selbst hatte es nie angestrebt, einen passenden Mann zu finden, und auch jetzt dachte sie nicht an die Zukunft und an eine mögliche Heirat – sie wollte nur viel Zeit mit Nicolas verbringen und jeden Augenblick mit ihm genießen.
    Der Gesangsunterricht allein genügte ihr bald nicht mehr – zumal sie im Haus der Gothmanns nie ungestört waren. Ständig war ihre Großmutter in der Nähe oder einer der vielen Dienstboten. Umso begeisterter war sie darum von Nicolas’ Vorschlag, ihn zu dem einen oder anderen Hauskonzert nach Frankfurt zu begleiten, was, wie sie den Großeltern erklärte, Teil ihrer musikalischen Ausbildung war, in Wahrheit aber ein Vorwand, um sich aus dem Haus zu stehlen.
    Tatsächlich begleitete sie ihn ein paar Mal in die Salons der besseren Familien, wo man sich an seinem Spiel erfreute, aber oft verbrachten sie die Nachmittage in Frankfurt auch ganz anders, so zum Beispiel mit dem Besuch des zoologischen Gartens. Carlota war sich sicher, dass Tabitha schon oft hier gewesen war, und hatte den Zoo darum bisher gemieden. Doch Nicolas, der Tabitha nie begegnet war, überdies Frankfurt und seine Sehenswürdigkeiten kaum kannte und darum nicht bemerkte, wie fremd ihr die Stadt war, musste sie nichts vorspielen. An seiner Seite konnte sie mit Interesse die exotischen Tiere betrachten und über die anderen Besucher lästern, vorzugsweise die Offiziers- und Beamtenwitwen, die ihre Töchter auf der Suche nach einem geeigneten Ehemann hierherschleppten. Diese ließen sich mit einer Stickerei und mitgebrachtem Kuchen auf einer der Bänke nieder – Restaurants konnten sich nur die reicheren Besucher leisten – und taten so, als würden sie die wenigen herbstlichen Sonnenstrahlen genießen, während sie in Wahrheit jeden Passanten taxierten.
    »Im Grunde werden die Männer so fasziniert gemustert wie die wilden Tiere«, spottete Carlota. »Und die künftigen Schwiegermütter überlegen schon, wie sie sie einfangen und zähmen werden.«
    »Dann ist es ja fast ein Glück, dass ich als Musiker nicht reich bin.«
    Es kam ihr widersinnig vor, dass er auf sein fehlendes Vermögen anspielte, denn für sie, die sie in Armut aufgewachsen war, war Nicolas der Inbegriff für ein feines Leben, Schönheit und Eleganz. Aber er lag wohl nicht ganz falsch – der Bankier Albert Gothmann erwartete sich für seine Enkeltochter gewiss einen anderen Brautwerber.
    Sie schob den Gedanken allerdings weit von sich und beschloss, sich über das Morgen nicht den Kopf zu zerbrechen und sich lieber in immer neue Freizeitvergnügen zu stürzen, so auch das Eislaufen auf der eigens dafür angelegten Bahn im Palmengarten. Carlota hatte gehört, dass Tabitha eine gute Eisläuferin gewesen war, doch einmal mehr konnte sie sich darauf verlassen, dass Nicolas keinen Vergleich ziehen würde. Ihre ersten Schritte fielen noch etwas wackelig aus, aber sie war

Weitere Kostenlose Bücher