Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
Vom Netzwerk:
geht“, fragt er mit bemängelndem Unterton. Joan weicht seinem
zurechtweisenden Blick aus, betrachtet stattdessen Isa auf seinem Schoß, welche
er geduldig dabei gewähren lässt, ihm eifrig dünne Zöpfe ins Haar zu flechten.
Sein Anblick erinnert sie an damals, als sie sich zum ersten Male am Weiher
begegneten, was sie unwillkürlich lächeln lässt.
    Er misdeutet es und blickt sie
verärgert an, worauf sie ihm beschwichtigend eine Hand auf den Arm legt.
    „Oh Malcom, deine Rüge ist
ungerecht“, stöhnt sie, langt an ihm vorbei nach einem Tablett mit einigen
restlichen Stücken vom Schwein und legt sich eines davon auf eine Scheibe weißen,
weichen Brotes. „Ich hatte so viele Kräuter gesammelt, bevor es zu kalt wird.
Und die müssen erst einmal verarbeitet sein.“ Obendrein sind es wertvolle
Mondkräuter. Einerseits Blätter und Blüten von kurz nach Vollmond gesammelten
Pflanzen, die somit im vollen Lebenssaft standen und ihre Heilwirkung dadurch
aufs Äußerste entfalten. Aber auch im Gegensatz dazu bei zunehmendem Mond
gesammelte Wurzeln, in die sich dann die heilenden Säfte zurückgezogen hatten.
    Malcom hebt eine Braue. „Noch
mehr Kräuter? Deine Kemenate gleicht bereits einer Kräuterkammer“, äußert er
nunmehr belustigt und schüttelt mit rollenden Augen den Kopf, worauf Isa murrt,
da ihr dadurch seine Haarsträhnen aus den kleinen Händen geglitten sind. Er
sitzt daraufhin wieder still.
    Joan würgt einen Bissen Fleisch
hinunter. „Ich hoffe, du kommst nie in die Verlegenheit, sie noch schätzen zu
lernen“, gibt sie ihm spitz zu bedenken und nimmt einen erneuten Bissen. Malcom
legt eine Hand auf Isas Rücken, damit sie nicht herunterrutscht, während er Joan
Wein in einen irdenen Kelch einschenkt.
    Joan schlingt einen mächtigen
Bissen hörbar hinunter. „Doch sei beruhigt, die letzten Handgriffe sind getan.
... Wo ist übrigens Nigel abgeblieben?“
    Er stellt den Weinkrug ab. „In
der Kapelle. Ich gedenke, ihm anschließend endlich den Treueid abzunehmen.“
    Joan nickt kauend. Es ist
wahrhaftig an der Zeit. Sie sind immerhin schon seit über fünf Wochen zurück.
    Die Halle hat sich allmählich
geleert. Auch Blanche geht mit Gabriel, worauf Raymond und Gerold zu ihnen aufrutschen.
    Joan ergreift ihren Kelch.
„Trägst du dich eigentlich mit dem Gedanken, noch mehr Ritter in deinen Dienst
zu nehmen?“ Sie nimmt einen Schluck von dem unverdünnten Wein.
    Malcom nickt. „Ich hätte
bereits früher damit beginnen sollen. Wird dauern, bis sich alle eingefunden
haben.“
    „An wie viele dachtest du?“
    Er zuckt die Schultern.
„Schätze, zehn sind ausreichend.“ Nachdenklich blickt er nach vorn. „Vielleicht
auch nicht bei zwei Lehen“, überlegt er zerstreut, während er einen Mann
beobachtet, der soeben in schlammbespritzter Reisekleidung die Halle betritt.
Mit müdem Blick sucht dieser den Quertisch ab. Als er Malcom gewahrt, setzt er
sich matt auf ihn zu in Bewegung.
    Joan hat sich ihrem letzten
Bissen Brot gewidmet und sinnt darüber nach, dass zehn Ritter eine stolze Zahl
sind. Als der Bote vor ihnen stehen bleibt und in seinem Mantelfutter nach
etwas wühlt, fährt sie erschrocken zusammen. Der Mann bringt zu ihrer
Erleichterung jedoch nur eine versiegelte Schriftrolle zum Vorschein. Sie atmet
durch. In letzter Zeit schreckt sie gar vom Piepsen der Mäuse in ihrer Kammer
auf!
    „Ich komme aus London mit einer
Depesche von John Blesterville, Sir“, erklärt er mit einer Verbeugung, bevor er
Malcom das Schriftstück über den Tisch reicht.
    Dieser nimmt es ihm ab und
nickt zu einem der Längstische hinüber. „Sei Gast in meiner Halle und stärke
dich.“
    Nachdem er sich mit dankbarer
Miene verneigt hat, steuert der Bote den gewiesenen Längstisch an, wird jedoch
von Gerold am ausgestreckten Arm abgefangen. Dieser zieht ihn neben sich und
Raymond auf die Bank. Wohl, um Neuigkeiten aus London von ihm in Erfahrung zu
bringen.
    Malcom setzt Isa neben sich auf
der Bank ab. Das Mädchen rümpft darüber missmutig die Nase, um dann wortlos ihr
beinahe vollendetes Werk zu betrachten, bevor sie zu den Hunden unterm Tisch
abtaucht.
    Malcom indes bricht das
Farwicksiegel und beginnt zu Joans größter Verwunderung, die Nachricht schnell
überfliegend für sich zu lesen. Dabei nippt er bedächtig an seinem Weinkelch.
Schließlich stellt er diesen wieder ab und legt die Depesche nachdenklich auf
dem Tisch beiseite.
    „Was schreibt er“, drängt sie
zu wissen. Auch Raymond ihr

Weitere Kostenlose Bücher