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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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nicht beruhigen,
im Gegenteil. „Ulman, ich hoffe, du bereust es nicht eines Tages“, gibt sie ihm
eindringlich zu bedenken und seufzt. „Egal, was passiert, du sollst wissen,
dass du immer auf meine Hilfe zählen kannst.“
    Er betrachtet sie lächelnd und
nickt. „Das Gleiche gilt für dich.“

Aufbruch nach
London
    Joan reitet
stumpfsinnig hinter Malcom her. Der Abschied von Robert und Leander macht ihr
Herz bluten. Dabei liegt er bereits etliche Tage zurück. Auch Ulman ist noch
schweigsamer, als sonst. Malcom hingegen nimmt es gefasst. Er scheint Übung im
Abschied nehmen zu haben.
    Je näher sie London kommen,
desto mehr belebt sich die Römerstraße. Immer häufiger müssen sie ihr Tempo
verlangsamen, um sich an Fußvolk, Reitern, Karren oder Wagen vorbei zu drängen.
Sie begleitet Malcoms gesamte Ritterschar sowie sieben von Amáls Männern,
etliche Waffenknechte, zwei Knappen und Mägde. Auf Packpferden führen sie
Reiseproviant für Mensch und Tier mit, des weiteren etliche Säcke mit Gemüse,
Mehl und Getreide sowie Feuerholz. Letzteres ist teuer in London. Amál selbst
reitet am Ende ihres Trupps, da sich Brix und Ignis andernfalls rangeln würden.
Er ist vom Schicksal gezeichnet, scheint sein heiteres Gemüt eingebüßt zu
haben. Stattdessen schwingt immer häufiger ein spöttischer Unterton in seinen
Worten mit. Nicht der frühere arglose Spott, der zu seinem unbeschwerten Wesen
gehörte, sondern vielmehr jener stichelnde, kränkende, mitunter gar unter die
Gürtellinie gehende, der aus der Verbitterung heraus spricht. Zudem ertränkt er
seinen Kummer zunehmend im Wein. Joan trauert dem alten Amál nach. Sie vermag
nicht mehr, bis zu ihm durchzudringen. Am heftigsten verschließt er sich jedoch
hartnäckig seinen Kindern, die er nur allzu bereitwillig Awin überließ. Nach
nun über zwei Monaten haben sie die Hoffnung aufgegeben, er würde noch einen
Weg zu ihnen finden.
    Joan biegt das Kreuz mit nach
hinten gereckten Armen durch. Die rechts von ihr hinterm Wald untergehende
Sonne kündet von der herannahenden Nacht. Es trennt sie noch ein Tagesritt von
London. Abgespannt erreichen sie ein etwas abseits der Straße gelegenes
Gasthaus, in dessen Innenhof sie absitzen. Aus einem der Nebengelasse
erscheinen zwei Stallknechte, um die Pferde zu versorgen. Joan nimmt ihre
Satteltasche an sich, überlässt ihren Schimmel Jeremys Knappen und folgt den
anderen in die schäbige Wirtsstube.
    Es ist der Vorabend zu einem
Sonntag. Letzterer ist in der österlichen Fastenzeit stets fastenfrei und
beginnt nach kirchlichem Ritus praktischerweise schon am Abend zuvor, was an
jedem der sechs Sonntage zwischen Aschermittwoch und Karsamstag zur Genüge
ausgenutzt wird.
    Nach einem deftigen,
versalzenen Schweinsbraten fließen Ale und schlechter Wein in Strömen. Die
Männer sind gehobener Stimmung. Als man beginnt, zu rohen Trinkliedern auf
Tischen und Bänken zu tanzen, empfiehlt sich Joan. Sie ist hundemüde. Eine Magd
führt sie treppauf ins gemeinschaftliche Schlaflager und überlässt ihr noch ein
Talglicht, bevor sie wieder nach unten geht. Das Stroh auf dem Boden ist
trocken und frisch. Aus einer dunklen Ecke dringt gleichmäßiges Atmen an ihr
Ohr, zwei Fremde schlafen bereits. Joan stellt das Licht auf einen Schemel.
Schwerfällig schnallt sie ihr Schwert ab, um sich dann in ihrer Reitbekleidung
in einem Winkel nahe des Fensters auszustrecken. Ihren wärmenden Mantel deckt
sie über sich, während sie den Kopf auf ihre Satteltasche bettet. Das Talglicht
wirft seinen Schein flackernd an die Wände. Von draußen dringt der Ruf eines
Käuzchens an ihr Ohr. Sie denkt an ihre Kinder und verspürt ihren Verlust
beinahe als körperlichen Schmerz. Wie gerne würde sie jetzt die beiden in ihre
Arme schließen. Sie weiß sie bei Agnes gut aufgehoben und schließt diese in ihr
Gebet mit ein.
    Von der Treppe ertönt raues
Lachen. Joan dreht sich mit dem Gesicht zur Wand und schließt die Augen.
Weitere Gäste kommen herauf. Unterdrücktes Gekicher im raschelnden Stroh
hindert sie daraufhin am Einschlafen. Unruhig wälzt sie sich von einer Seite
auf die andere, wobei sie Ulman nicht weit entfernt im Stroh liegen sieht. Auch
er scheint noch wach zu sein. Schließlich zeugt rhythmisches Keuchen und
stoßweises Stöhnen vom Liebesspiel in ihrer Nähe. Joan richtet den Blick wie Ulman
gegen die Decke und wünscht, sie würden endlich zu einem Ende kommen. Doch es
zieht sich scheinbar endlos in die Länge. Ulman fährt sich

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