Die rote Farbe des Schnees
Zusammenspiel mit seiner Wendigkeit ist er nahezu
unschlagbar“, sinnt er laut nach. „Es ist gut, dass du von ihm lernen kannst.
Es beruhigt mich etwas, dich demnächst wieder der Gefahr durch Percy
auszusetzen.“
Joan atmet aufgewühlt durch.
Schon der Gedanke an die Verhandlung macht sie ganz krank vor Aufregung.
Leander neben ihnen beginnt mit
einem Male, zu weinen. Joan wendet sich ihm fürsorglich zu und stillt ihn
etwas, bis er wieder einschläft. Malcom beobachtet sie schweigend dabei. Sie
wischt sich über die feuchte Brustwarze und schmiegt sich an ihn.
„Joan. Du solltest ihn nicht
mehr länger stillen. Das macht es dir nur noch schwerer, bald Abschied von ihm
zu nehmen.“
Sie stützt sich entsetzt hoch
und starrt ihn an.
„Wir geben ihn zu Agnes ins
Bett“, fährt er unbeirrt fort. Als er ihr beruhigend über eine Wange streichen
will, wendet sie sich von ihm ab. „Joan. Du musst endlich abstillen, oder soll
in London etwa ICH die überschüssige Milch abtrinken, um dir Erleichterung zu
verschaffen?“
Sein gut gemeinter Witz kann
sie nicht trösten. „Du hast keine Ahnung, was du da von mir verlangst“,
flüstert sie todunglücklich.
„Er gehört zu Ulman“, meint er
eindringlich.
Sie weiß, dass er Recht hat.
Doch es schmerzt trotzdem.
„Es bedeutet ja nicht, dass er
aus unserem Leben verschwindet. Wir können ihn allezeit auf Farwick Castle
besuchen.“
Sie ruckt zu ihm herum.
„Glaubst du wirklich, Ulman nimmt es als Lehen an?“
Er zuckt die Schultern. „Er
muss an Leanders Absicherung denken. ... Und es wird ihm letzten Endes
schmeicheln, als ehemals geschmähter Bastard den Familienstammsitz in die Hände
gelegt zu bekommen.“
Sie atmet durch. Es ist
immerhin ein kleiner Lichtblick, kein Abschied für immer. „Es würde mich
trösten“, gibt sie zu, wobei sie sich gedankenversunken wieder neben ihn legt.
„Ich vermag seit längerem ohnehin nicht mehr, ihn noch ausreichend zu stillen.
Es reicht gerade noch für ein bis zwei Mal in der Nacht, wobei mir scheint, ihn
beruhigt dann lediglich das Saugen. Es kommt offenbar nicht mehr viel heraus.
Agnes hat das Stillen größten Teils übernommen.“ Sie vermutet seit einiger
Zeit, schwanger zu sein. Es würde erklären, warum ihre Milch versiegt. Überdies
glaubt sie, bereits erste Kindsbewegungen zu verspüren. Sie weiß ja nun, wie es
sich anfühlt. Dieses leichte Wischen über ihre Bauchwand, das eindeutig keinen
Darmwinden zuzuschreiben ist. Dennoch möchte sie Malcom erst einweihen, wenn
sie ganz sicher ist, es auch zu behalten.
Er stützt sich hoch, fährt ihr
versonnen mit dem Finger über die Lippen. „Robert ist ein Jahr alt. ...
Vielleicht würde dich ein weiteres Kind von Leander ablenken.“
Sie frohlockt innerlich über ihre
ähnlichen Gedanken, lässt sich jedoch nichts anmerken.
„Joan, ich wünsche mir noch ein
Kind von dir“, eröffnet er ihr nun ganz unverblümt.
Lächelnd
nimmt sie sein Gesicht zwischen die Hände. „Ja, das wäre schön“, pflichtet sie
ihm leise flüsternd bei und zieht ihn auf ihren Mund.
Joan fläzt
auf einem Schaffell an einen der Uferfelsen gelehnt und lässt sich mit
geschlossenen Augen die Sonne ins Gesicht scheinen. Robert neben ihr ist
eingeschlafen und sie genießt den freien Moment. Ulman hatte die Kinder mit
seinen Luftsprüngen beglückt, ist zu ihrer lauten Freude auf den Händen
gegangen und hat mit Steinen jongliert. Im Augenblick kniet er in ihrer Nähe
bei Leander, dem er ein schnelles Stück auf der Flöte vorspielt. Der Kleine
quietscht vergnügt und versucht, seinem Vater die Flöte zu stibitzen, doch der
weicht seinen Händchen jedes Mal im letzten Augenblick aus. Fröhliches
Vogelgezwitscher wetteifert mit den Flötentönen. Die Kraft der Sonne nahm in
den vergangenen Tagen immens zu. Sie weckt die Natur sanft aus ihrem
Winterschlaf und lässt den Schnee unaufhaltsam schmelzen. Er fällt in Fladen
von den Bäumen und schlägt dumpf in der nassen Schneedecke auf, welche
vielerorts bereits den dunklen Boden oder das plattgedrückte braune Gras des
Vorjahres mit unzähligen Mäusegängen sowie ersten Frühblühern freigibt.
Das Geräusch tropfenden,
rinnenden Wassers lullt Joan sanft ein. Ulman zeigte ihr unlängst diesen
himmlischen Ort. Er ist ihr Paradies. Ulman meinte, es wäre ein Ort der Kraft.
Auch sie spürt, wie sie von dieser wohltuend durchströmt wird, weiß, dass sie
sich, wenn sie bald zurückgehen, wie neugeboren fühlen wird. Auch wenn sie
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