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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Es ist nur einmal kurz aus dem Takt gekommen.“
    Joan liegt
ruhelos wach. Sie findet einfach keinen Schlaf, sinnt pausenlos über Ulman
nach. Malcom neben ihr atmet tief und gleichmäßig. Lautlos erhebt sie sich und
kleidet sich an. Auf leisen Sohlen schleicht sie zur Tür hinaus. Auf dem
Hausgang ist es stockfinster. Sie tastet sich zu Ulmans Tür vor und klopft
leise an. Auf sein unverständliches Brummen hin tritt sie ein. Ein Talglicht
auf einem Schemel glimmt in den letzten Zügen. Er stöhnt, während sie zu ihm
ans Bett kommt. „Ich muss mit dir reden“, raunt sie, wobei sie neben ihm auf
der Matratze Platz nimmt.
    „Joan?“
    Sie schreckt hoch, als sie
unerwartet Amál ins verquollene, blutunterlaufene Gesicht blickt.
    Er lacht verhalten. „Hat sie
mich wirklich so schlimm zugerichtet? Diese verdammte kleine Hexe ...“
Schwankend richtet er sich auf, so dass ihr unversehens sein von Ale
geschwängerter Atem entgegen schlägt. Stöhnend lässt er sich wieder hintenüber
in die Kissen fallen. „Gott, ich fürchte, nicht in der besten Verfassung für
dich zu sein.“ Er betrachtet sie mit seinen stechend blauen Augen. „Wusste
ich’s doch, dass du nicht von mir lassen kannst“, feixt er mit einem rauen
Lachen.
    „Hör auf“, erwidert sie eindringlich,
was ihn verstummen lässt.
    Unverhofft ergreift er ihre
Hand, legt sich zur Seite und führt sie an seine Brust. „Geh nicht, Joan.“
    Hilflos seufzend setzt sie sich
wieder neben ihn. Nun, da sie schon einmal hier ist, sollte sie auch die
günstige Gelegenheit nutzen. „Unter einer Bedingung.“
    Er betrachtet sie
hoffnungsvoll.
    „Wir reden.“
    Kopfschüttelnd versucht er, das
Gesicht in den Kissen zu vergraben. „Bitte nicht.“
    „Amál, so kannst du nicht
weiter machen.“
    Er ballt die Fäuste. „Wieso
nicht?! Darf ich nicht um meine Frau trauern? Meinen Kummer mit Ale
herunterspülen?“ Mit einem gequälten Auflachen reckt er trotzig das Kinn. „Gebt
Rauschtrank dem Mutlosen und Wein dem Verbitterten. Ein solcher mag trinken und
seine Armut vergessen und an seine Mühsal nicht mehr denken. Zurzeit mein
favorisierter Bibelspruch!“
    Aufseufzend streicht ihm Joan
durchs Haar. Es ist länger geworden und lockt sich. „Ich weiß nicht, was
beunruhigender ist: der Inhalt dieses Bibelspruches, oder, dass du überhaupt
einen zitierst.“ Das flüchtige Aufflackern in seinen Augen bezeugt ihr, dass
sie seinen Humor ansprach. „Doch, natürlich darfst du trauern. Aber nicht so,
dass es dich allmählich zerstört. Glaubst du, Miriam würde dich so sehen
wollen? Komm endlich zu dir, Amál.“
    Er schüttelt den Kopf. „Ich
kann nicht.“
    „Warum?“ Sie zieht die Hand aus
seinem weichen Haar zurück.
    Eine Weile herrscht Schweigen.
Er atmet durch. „Ich fürchte, das Leben nur noch im Rausch ertragen zu können.
... Wie soll ich ohne sie allein weiterleben?“
    Sie drückt seine Hand ganz
fest. „Du bist nicht allein.“ Allmählich wird ihr kalt. So streckt sie einfach
die Beine zu ihm unter die warme Decke. „Euch war leider nur eine sehr kurze
gemeinsame Zeit beschieden. Bewahre sie wie einen wertvollen Schatz in deinem
Herzen. Sei dankbar für jeden Augenblick mit ihr und gib dich nicht länger der
Verbitterung hin. Sie vergiftet dich allmählich.“ Auf sein verächtliches
Schniefen hin zerrt sie ihn grob an der Hand. „Reiß dich zusammen, Amál! Dein
Selbstmitleid ist bald nicht mehr zu ertragen.“
    „Was weißt du schon“, erwidert
er matt.
    „Mehr, als gut sein kann. Ich
verlor von einem Tag auf den anderen alle meine Geschwister, glaubte Raymond
tot, war gezwungen, einen guten Freund von seinen Qualen zu erlösen.“
    Er nickt. „Du hattest Malcom.“
    „Ich hätte ihn als einen
weiteren üblen Schicksalsschlag betrachten können, wenn ich nicht meine Augen
geöffnet hätte.“ Sie streicht ihm wieder übers Haar. „Das musst auch DU tun.
Öffne deine Augen und stelle dich dem Leben. Es geht sonst an dir vorbei. ...
Du wirst gebraucht, Amál. Von Malcom als verlässliche Unterstützung, von mir
als teuren Freund. ... Und vor allem von deinen Kindern als Vater. Miriam würde
sich im Grabe herumdrehen, wenn sie erführe, dass du eure Kinder nicht
annimmst.“
    Er atmet durch, um sie dann
loszulassen und sich über die Augen zu wischen. „Ich finde nicht zu ihnen,
Joan.“
    „Das sollte dich nicht
verwundern. Was erwartest du? Du hast sie ja noch nicht einmal im Arm gehabt.
Wenn du sie dir endlich einmal richtig ansehen

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