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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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beginnt, seinen
Oberkörper frei zu machen. Sie ist ihm dabei behilflich, da er das Gesicht
dabei schmerzhaft verzieht. Als sie ihm das Leibhemd auszieht, bemerkt sie,
dass er bereits bandagiert wurde und sieht ihn fragend an.
    „Der Henker fühlte sich in
meiner Schuld“, erklärt er knapp, worauf sie verstehend nickt. Es ist nicht
neu, dass sich der Scharfrichter mit seiner genauen Kenntnis vom Aufbau des
menschlichen Körpers auf die Heilerei versteht. Zumeist stellt sich seine
Kundschaft verstohlen des Nachts bei ihm ein, um die Hilfe des Mannes mit dem
wohl unehrenhaftesten Beruf in Anspruch zu nehmen. Joan löst die fachgerecht angelegten
Bandagen und runzelt die Stirn als sie gewahrt, dass er noch übler als Amál
zugerichtet wurde. Vorsichtig tastet sie ihm die Rippen ab. Drei scheinen
gebrochen, die linke Schulter ist geschwollen und blitzeblau. Doch er kann den
Arm bewegen. Sie tränkt seine Bandagen im warmen Aufguss und wickelt sie ihm
nicht ganz so straff wieder um den Brustkorb, da sie sich noch beim Trocknen
etwas zusammenziehen werden. Er lässt sie nicht aus den Augen, berührt ihre
Wange mit der Hand.
    Sie ruckt das Gesicht weg, um
ihn verärgert zu betrachten.
    „Warum bist du so wütend“,
murmelt er versonnen.
    „Das fragst du noch“, faucht
sie. „Ich hoffe, es war die Sache wert!“ Sie zieht den Knoten des Verbandes
unsanft straff, so dass er schmerzvoll zusammenzuckt. Ihr verschwimmt der Blick
und sie verwünscht es. Ungehalten erhebt sie sich, ergreift seine Kleidung
neben ihr, um sie ihm fuchtig in den Schoß zu werfen. „Sing mir bitte nie
wieder Greensleeves, Ulman! Es kommt mir vor wie Heuchelei.“
    Er
betrachtet sie aufgewühlt, während sie sich über die Augen wischt. Sie macht
auf dem Absatz kehrt und eilt aus Amáls Gemach.
    In den
nächsten Tagen gehen sich Ulman und Joan beharrlich aus dem Wege, was in
Anbetracht der Beengtheit, in der sie leben, nicht so einfach zu
bewerkstelligen ist. Dass er den Weg nicht zu ihr findet, um ihren Vorwurf zu
entschärfen, bestätigt sie in ihrem Verdacht. Sie ist maßlos enttäuscht, dass
er sich mit käuflicher Liebe tröstet. Dennoch kann sie ihm diesen Makel nicht
zum Vorwurf machen. Ernüchtert muss sie sich eingestehen, dass sie mehr in
Ulman sah, es seine unverbrüchliche Liebe zu ihr nur in ihrer Vorstellung gab.
Noch nie in ihrem Leben tat ihr das Herz derart über eine unglückliche Liebe
weh. Es ist ein ganz neues Gefühl.

Ernste Worte
    Sie hockt
in einem der verwahrlosten Kräuterbeete und befreit die feinen Triebe der Heil-
und Küchenkräuter von Unkraut. Als sie hinter sich Schritte vernimmt, macht ihr
Herz einen freudigen Sprung. Hoffnungsvoll wendet sie sich um und blickt
enttäuscht in das Gesicht von Amál.
    Dieser seufzt. „Joan! Diese
Trübsalblaserei ist nicht mehr mit anzusehen. Was glaubst du wohl, wie sich
Malcom dabei fühlt?“
    Sie starrt ihn einen Augenblick
entsetzt an. „Woher weißt du ...“ Ihr stockt der Atem.
    „Nun, es waren meine AUGEN, die
du mit der Auflage bedecktest. Zu hören vermochte ich wohl oder übel sehr gut.“
    Resigniert lässt sie den
Grabestock sinken.
    „Wie lange geht das mit euch
beiden schon?“
    Sie betrachtet ihn verärgert.
„Ich wüsste nicht, was dich das anginge!“
    Er stemmt die Hände in die
Seiten. „Es geht mich gleich doppelt an. Erstens als der Bruder deines Mannes
und zweitens als jemand, der es gut mit dir meint.“
    Sie richtet sich auf. „Willst
du mir jetzt in der Tat den Moralapostel spielen?“
    „Ja, verdammt. Mit demselben
Recht, mit dem du mir erst kürzlich den Kopf wuschst.“
    Sie atmet durch, wobei sie sich
mit dem Handrücken über die Stirn wischt, was ihr dort einen breiten, erdigen
Anstrich einbringt. „Seit ein paar Monaten“, antwortet sie zerknirscht. „Ich
kenne ihn schon etwa drei Jahre.“
    Er stutzt. Nachdenklich reibt
er sich das stoppelige Kinn. „Ist es so, wie damals mit uns?“
    Überrascht blickt sie ihm in
die Augen, um dann den Kopf nachdenklich zu wiegen. „Ja und auch nein. Damals
wusste ich nicht, ob ich mit Malcom noch eine gemeinsame Zukunft haben würde.
Du kamst dazu, als wir eine Menge Probleme hatten, die wir beinahe nicht zu
lösen imstande waren.“
    „Dann muss deine Liebe für
Ulman sehr stark sein, wenn du deine gute Ehe mit Malcom riskierst.“
    Unbehaglich richtet sie den Blick
hinab auf ihre dreckigen Hände. „Ja, das ist sie. Doch ich riskiere meine Ehe
nicht. Ich bin Malcom treu ergeben.“ Mit einem

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