Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die roten Blüten der Sehnsucht

Die roten Blüten der Sehnsucht

Titel: Die roten Blüten der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Peterson
Vom Netzwerk:
englische Sprache gelehrt?«
    Sara nickte bedrückt. » Ich habe sie auch all die anderen Dinge gelehrt, die man mir in der Missionsstation beigebracht hat. Ich habe ihr von ihren Göttern erzählt und alle Geschichten aus dem heiligen Buch der Weißen vorgetragen. Auch die Anrufungen.«
    Als sie Dorotheas und Ians verständnislose Mienen sah, stupste sie Vicky an, und diese begann mit monotoner Stimme » Vater unser, der du bist im Himmel…« aufzusagen. Es war ziemlich offensichtlich, dass sie wenig damit verband.
    Dennoch warteten alle das » Amen« ab, ehe Dorothea ein wenig ratlos bemerkte: » Das kannst du sehr gut, Vicky, wirklich.« Obwohl in ihrem Elternhaus häufig gebetet worden war, hatte sie sich inzwischen daran gewöhnt, dass es auf Eden House deutlich profaner zuging. Natürlich sprach Dorothea mit den Kindern ein Nachtgebet, wenn sie zu Bett gingen. Aber sonst? Schon zu Roberts Zeit waren Tischgebete nicht üblich gewesen, und Ian war ja selbst ein halber Heide.
    Sara schien zu spüren, dass die Demonstration nicht ganz den erhofften Erfolg gebracht hatte. » Vicky ist ein geschicktes Mädchen. Sie wird tun, was ihr ihr auftragt. Und sie wird heiraten, wen ihr für sie auswählt.«
    Das Mädchen biss sich auf die Unterlippe, um die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten.
    Das arme Ding! Dorothea versuchte, sich vorzustellen, was es für ein Gefühl sein mochte, fremden Menschen ausgeliefert zu werden. Sich von der Frau, mit der man bisher ununterbrochen zusammengelebt hatte, zu trennen. Kein Wunder, dass sie sich vorhin so an Robbie geklammert hatte! Heftiges Mitleid wallte in ihr auf.
    » Natürlich kann Vicky bei uns bleiben. Nicht, Ian?« Sie sah ihn fragend an.
    Ihr Mann wiegte bedächtig den Kopf hin und her. » Versteh mich nicht falsch, aber– bist du da nicht etwas voreilig? Es könnte gut sein, dass es Verwandte gibt, die auf sie Anspruch erheben. Ich denke nicht, dass der Gouverneur etwas dagegen einwenden wird, wenn wir sie erst einmal bei uns aufnehmen. Aber wir müssen es natürlich melden, und er wird Nachforschungen anstellen. Das muss er in einem solchen Fall. Wir können also nicht versprechen, sie bei uns zu behalten.« Mit gerunzelter Stirn fixierte er die alte Aborigine. » Was mir nicht ganz klar ist: Wieso bringst du sie zu uns? Wieso nicht zur Missionsschule?«
    » Weil sie hier bei euch sicher ist«, erklärte die mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass Dorothea verblüfft blinzelte.
    » Vor wem?«
    » Vor den Mördern ihrer Familie. Habt ihr nicht den letzten, großen Zauberer getötet und seine Höhle zerstört? Einen Hexer mit unglaublicher Macht? Niemand von meinem Volk würde es wagen, euch herauszufordern.«
    » Wer sagt so etwas?«, fragte Ian scharf und fixierte sie finster.
    » Es wird an den Feuern entlang des großen Murray gesungen«, gab Sara etwas unbestimmt zur Antwort. » Die meisten sind froh darüber, dass er tot ist, weil alle große Angst vor ihm hatten. Viele hätten ihn gerne tot gesehen, aber niemand hatte den Mut, es mit ihm aufzunehmen. Ihr habt es getan, und damit ist ein Teil seiner Macht auf euch übergegangen. Solange Vicky bei euch lebt, wird es niemand wagen, sie anzurühren.«
    Dorothea und Ian wechselten einen bestürzten Blick. Niemand außer ihnen, Karl und Koar kannte die ganze Wahrheit über die Höhle. Wie war es möglich, dass die Eingeborenen darüber Bescheid wussten? » Später«, formten Ians Lippen, und Dorothea nickte.
    » Du könntest ebenfalls bei uns bleiben«, bot er der Alten an. » In den Ställen ist Platz genug.« Das stimmte zwar nicht, denn eine der beiden Schlafkammern war die von John, die andere teilten sich Parnko und Mannara, dennoch erhob Dorothea keinen Einspruch.
    » Das wäre nicht gut.« Sara schüttelte den Kopf. » Vicky muss jetzt lernen, eine Engländerin zu sein. Es wird ihr leichter fallen ohne mich.« Eine kluge Entscheidung. Dorothea musste ihr im Stillen recht geben. Aber es erforderte erstaunliche Größe für eine Aborigine, deren Lebensinhalt dieses Kind gewesen war, zu einem solchen Schluss zu gelangen. Es war Ian anzusehen, dass auch er beeindruckt war.
    » Ich will keine Engländerin werden. Ich will bei dir bleiben!« Der Ausbruch kam für jemanden, der Heather kannte, nicht ganz überraschend. Die beiden Mädchen hatten einige Ähnlichkeiten, dachte Dorothea. Allerdings duldete Sara keine Aufsässigkeit. Der strenge Ton, in dem sie das Mädchen zurechtwies, war unmissverständlich. Auch

Weitere Kostenlose Bücher