Die roten Blüten der Sehnsucht
schon geschrieben, dass er stolz auf dich wäre? Was willst du mehr?«
» Ich weiß nicht.« Tatsächlich klang ihr Mann ausgesprochen unsicher. » Man macht sich doch ein Bild von jemandem. Wenn ich dem nun nicht entspreche? Er ist ein Earl. Und ich bin ein Viehhändler. Bei den feinen Leuten in England dürfte ich nicht einmal den Vordereingang benutzen.«
» Als Viscount Embersleigh wirst du ganz sicher nicht an den Dienstboteneingang verwiesen werden«, meinte Dorothea trocken. » Im Gegenteil: Ich bin sicher, dass alle von dir fasziniert sein werden. Der jahrelang verschollene und nach langen Mühen wiedergefundene Sohn eines Earls– alle werden deine Geschichte hören wollen.«
» In dem Fall bleibe ich lieber hier.«
» Das wirst du nicht!« Dorothea stieß ihn scherzhaft in die Seite. » Gleich morgen werde ich mit Trixie eine Liste zusammenstellen, was wir für englisches Wetter nähen lassen müssen.«
Das Kindermädchen zeigte sich ganz und gar nicht begeistert von der Ankündigung der Reise.
» Kann ich nicht hierbleiben, Ma’am?«, murmelte sie mit gesenktem Kopf und musterte angestrengt ihre Schuhspitzen. » Ich hasse Schiffe, und in England soll es immerzu regnen.«
» Und noch mehr würdest du es hassen, dich von John trennen zu müssen, nicht wahr?«, fragte Dorothea und unterdrückte einen Seufzer. Ian hatte ja schon länger damit gerechnet, dass die beiden eine Familie gründen wollten. » Gut, wir werden uns dann in Adelaide nach jemand Geeignetem umsehen. Wann wollt ihr denn heiraten?«
Trixie strahlte auf einmal über das ganze Gesicht. » Weihnachten«, platzte sie heraus. » Wir hatten es schon länger sagen wollen, aber es ist immer etwas dazwischengekommen, und John meinte, wir sollten warten, bis es passt.«
» Ihr bleibt aber auf Eden House, oder?«
Trixie nickte entschieden. » Natürlich. Der Master hat uns doch ein eigenes Haus versprochen. Hinter den Stallungen, zum Weideland hin.«
Soso. Dorothea war ein wenig pikiert. Wieso hatte Ian das nicht zuerst mit ihr besprochen? Hatte er befürchtet, sie würde Schwierigkeiten machen?
Aber das ging Trixie nichts an. » Ach ja, stimmt. Es war mir nur gerade entfallen«, sagte sie daher würdevoll und ging in die Küche, um Mrs. Perkins von den neuesten Wendungen in Kenntnis zu setzen.
Die war jedoch gerade vollkommen davon in Anspruch genommen, darüber zu grübeln, wer wohl die Bibel von Lady Chatwick genau unter ihrem Fenster deponiert haben könnte.
» Es ist irgendwie verhext, Ma’am«, sagte sie und drehte das harmlos wirkende Buch voller Erdspuren in ihren abgearbeiteten Händen. » Ich könnte schwören, gestern lag es noch nicht da, weil ich dort vorbeiging, um das Bohnenkraut zu holen. Und heute Morgen lag es mitten auf dem Weg. Ich hätte es doch nicht übersehen, wenn es gestern schon dort gelegen hätte.«
» Es ist mir auch schon passiert, dass ich etwas übersehen habe, weil ich vollkommen in Gedanken versunken war.« Dorothea fand diesen Umstand nicht so bemerkenswert. Vermutlich hatte die Köchin gestern überhaupt nicht auf ihre Umgebung geachtet, sondern war einfach daran vorübergegangen. » Aber gut, dass es wieder aufgetaucht ist. Ich verstehe nur nicht, warum Lady Arabella es aus dem Fenster geworfen hat.«
» Ich bezweifle, dass sie das getan hat.«
Die Köchin sprach in einem so seltsamen Ton, dass Dorothea sie scharf ins Auge fasste. » Bitte erklären Sie sich, Mrs. Perkins. Ich bin keine Wahrsagerin, dass ich aus Ihren Andeutungen schlau werde«, fuhr sie sie an.
» Lady Arabella hat gesagt, wenn ihr etwas zustieße, sollte ich in ihrer Bibel nachschauen.«
Sprachlos vor Verblüffung starrte Dorothea die massige Frau an. Zur Bestätigung nickte die noch einmal und hob mit dem Daumennagel das aufgerissene Leder des Einbands an. » Nichts. Sehen Sie?«
» Was haben Sie denn da erwartet?«
Die Köchin hob die Achseln. » Sie hatte da so einen Verdacht.«
Dorothea biss sich auf die Zunge, um sie nicht vor Ungeduld anzuschreien. » Was für einen? Heraus damit.«
» Na ja.– Es ging um diese Anfälle von Master Ian.« Mrs. Perkins hatte sichtbare Schwierigkeiten, es in Worte zu fassen. Ihr Blick hing wie gebannt an der alten Bibel, während ihre Finger unschlüssig an einem Fädchen, das aus dem Buchrücken hing, herumzupften. » Lady Arabella glaubte, dass er von Miss Grenfell vergiftet wurde«, flüsterte sie schließlich so leise, dass Dorothea sie kaum verstand. » Sie wollte in ihrem Zimmer
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