Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die roten Blüten der Sehnsucht

Die roten Blüten der Sehnsucht

Titel: Die roten Blüten der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Peterson
Vom Netzwerk:
biss sich auf die Unterlippe, bis sie Blut schmeckte. Der Schmerz brachte sie wieder so weit zu sich, dass sie die Köchin, wenn auch verzerrt, anlächeln und sagen konnte: » Es war nur eine kleine Anwandlung von– ich weiß auch nicht, wovon. Schade, dass wir jetzt nicht auf Lady Chatwicks Portweinvorrat zurückgreifen können. Das würde sicher helfen.«
    » Portwein habe ich nicht dabei. Tut es auch Brandy?« Ohne das Opernglas, durch das sie aufmerksam die Reihen der gut gebauten Jäger musterte, zu senken, griff Lady Chatwick in eine versteckte Tasche und zog einen silbernen Flakon heraus.
    Dankbar nahm Dorothea einen kräftigen Schluck. Brennend lief er ihre Kehle hinunter. Es half tatsächlich. Sie nahm noch einen Schluck und noch einen. Bis der Behälter leer war. Die Bilder in ihrem Kopf wurden schwächer, verblassten. Der hastig getrunkene Alkohol versetzte sie in einen leicht betäubten Zustand, in dem selbst solche Erinnerungen zu ertragen waren. Es war der harmlose King George, nicht der Skelettmann. Es gab keinen Grund, sich vor ihm zu fürchten. Wie albern von ihr! Und eigentlich sah er doch ganz putzig aus mit diesem Staubwedel auf dem Kopf. Wenn er in diesem Aufzug auf Eden House aufkreuzte, könnte man ihn vielleicht anstellen, um Staub zu wischen? Es müsste lustig aussehen, wenn er sich mit diesem Flederwisch über die Vertikos beugte. Sie kicherte leise.
    Ian und Mrs. Perkins wechselten einen Blick.
    » Ich fürchte, das war etwas zu viel des Guten«, bemerkte die Köchin halblaut. » Aber was soll’s? Ein kleiner Schwips hat noch niemandem geschadet.– Schauen Sie: Es geht los.«
    King George hatte mithilfe zweier Feuerstöckchen den Holzstapel in Brand gesetzt. Aus einem Lederbeutel zog er mit den Fingerspitzen geheimnisvolle Ingredienzen und schleuderte sie in die Flammen. Es zischte gefährlich, dann färbten die Flammen sich grünlich, loderten hell auf.
    » Was ist das für ein Trick? Es ist doch einer?«, flüsterte Lady Chatwick etwas erschreckt.
    » Ich verstehe nichts von Chemie, aber ich möchte wetten, der alte Knabe hat irgendetwas Salziges verbrannt«, sagte Mrs. Perkins mit glänzenden Augen. » Das ist ja hier eine richtige Vorstellung wie im Varieté!«
    King George fuhr fort, Pulver und Kügelchen ins Feuer zu streuen, bis dichte Rauchschwaden ihn umhüllten. Einen Teil davon wehte die Flussbrise in ihre Richtung. Der stechende, süßliche Geruch brannte in den Lungen und ließ sie unwillkürlich husten. Lady Chatwick und Mrs. Perkins begannen, hektisch mit ihren Taschentüchern zu wedeln.
    » Was ist das für ein schreckliches Zeug?«, fragte Lady Chatwick.
    » Es ist ein Zauberkraut, das die Verbindung zu den Ahnengeistern herstellt«, erläuterte Parnko ehrfurchtsvoll. » Es wird nicht oft benutzt, weil es zu mächtig ist. Manchmal kommen diejenigen, die es gebrauchen, nicht mehr zurück.«
    » Du meinst, sie sterben?« Erschreckt sahen sie den Jungen an. Der nickte nur.
    King George schien im Moment zumindest allerdings nicht in Gefahr. Mit erstaunlich klangvoller Stimme begann er, all seine Ahnen aufzuzählen und anzurufen. Parnko übersetzte es ihnen bereitwillig.
    » Es hört sich ein bisschen alttestamentarisch an.« Lady Chatwick seufzte ungeduldig. » Geht es noch lange?«
    » Bis er ein Zeichen bekommt«, antwortete Parnko, ohne den Blick vom alten Häuptling zu nehmen, der dort ganz allein auf dem Platz stand und seine fremdartige Litanei deklamierte.
    » Was für ein Zeichen denn?«
    Parnko antwortete nicht, sondern hob nur in der unnachahmlichen Art der Aborigines die Schultern, um anzudeuten, dass er keine Ahnung hätte.
    Lady Chatwicks Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, und auch Dorothea hätte einiges dafür gegeben, sich endlich in ihr kühles Schlafzimmer zurückziehen zu können. Ihr war schwindlig und heiß, und sie merkte, dass sie Kopfschmerzen bekam. Es war erstaunlich, wie lange der alte Mann durchhielt. Unermüdlich umkreiste er mit seinen sonderbaren Tanzschritten das rauchende Feuer, und wenn er auch inzwischen leiser sang, so war er immer noch gut hörbar.
    Es sprach für den Respekt der anderen Aborigines, dass keiner von ihnen seinen Platz verließ.
    Plötzlich und ohne jede Vorwarnung brach King George zusammen. Er krümmte sich, als litte er unerträgliche Schmerzen, und brabbelte wirres Zeug.
    » Jetzt! Sie sprechen zu ihm!« Parnko wirkte wie elektrisiert.
    » Was sagen sie denn?«, erkundigte Lady Chatwick sich

Weitere Kostenlose Bücher