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Die roten Blüten der Sehnsucht

Die roten Blüten der Sehnsucht

Titel: Die roten Blüten der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Peterson
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interessiert.
    Parnko schüttelte den Kopf. » Ich verstehe die Sprache der Ahnengeister nicht. Nur bourkas können mit ihnen Kontakt aufnehmen.«
    » Bourkas ? Was sind das für Leute? Zauberer?«
    » Nicht unbedingt. Es ist der höchste Rang unter den Männern. Erst wenn Haare und Bart grau werden, ist ein Mann ein bourka. Dann müssen ihm alle anderen Respekt erweisen.«
    » Na, so was.« Mrs. Perkins staunte. » Gibt’s das bei den Frauen auch?« Sie wies auf ein paar ältere Frauen mit schneeweißem, kurz geschorenem Haar.
    Parnko schien peinlich berührt. Schließlich raffte er sich doch zu einer Antwort auf. » Frauen sind wie Hunde«, versuchte er, etwas zu erklären, worüber er offensichtlich noch nie nachgedacht hatte. » Sie sind alle gleich.«
    » Hm«, machte Mrs. Perkins nur. Ihrem Tonfall war jedoch deutlich anzuhören, wie wenig sie von dieser Ansicht hielt. Jetzt war allerdings nicht der geeignete Zeitpunkt, dieses Thema weiterzuverfolgen. Vier weißhaarige Männer hatten sich neben King Georges immer noch wild zuckenden Körper gehockt und wedelten ihm mit Büscheln aus duftenden Eukalyptusblättern Luft zu. Schließlich hob einer von ihnen behutsam den Kopf des alten Häuptlings an und hielt ihm vorsichtig eine große Muschelschale mit Wasser an die Lippen.
    Der größte Teil lief ihm über das Kinn und tropfte zu Boden. Trotzdem gelang es ihnen, ihm genügend einzuflößen, um seine Lebensgeister zurückzurufen. Langsam, sehr langsam öffnete King George die Augen. Er schien seine Umgebung nicht wahrzunehmen. Sein entrückter Blick war auf etwas gerichtet, das nur er sehen konnte. Ein Gesichtsausdruck war unter der Bemalung nicht zu erkennen, aber Dorothea schien es fast, als strahle er inneren Frieden aus– falls man bei einem Aborigine davon ausgehen konnte, dass er fähig war, so etwas zu empfinden. Reverend Howard von der Trinity Church in Adelaide hatte sich darüber mit Protector Moorhouse ein viel beachtetes Streitgespräch in der Literarischen Gesellschaft geliefert. Der Reverend vertrat die Ansicht, innerer Frieden sei nur in Gott und im christlichen Glauben zu finden. Der Protector hatte ihm entschieden widersprochen. Seinen eigenen Beobachtungen und diversen Berichten über sogenannte heilige Männer in Indien zufolge war ein solcher Zustand auch von Heiden zu erreichen.
    Wie auch immer, King George wankte schließlich, gestützt auf die zwei kräftigeren Helfer, aus dem Kreis und wurde zu seiner Hütte geführt, wo seine drei Frauen bereits darauf warteten, ihn in Empfang zu nehmen.
    » Ich denke, wir sollten auch aufbrechen«, sagte Ian und musterte unter gesenkten Lidern die Reihe der fremden Krieger. » Ich möchte kein Risiko eingehen.«
    Zusammen mit Parnko gingen Ian und Dorothea zu King Georges Hütte, um sich förmlich zu verabschieden. Der alte Mann lag zusammengerollt unter einer Opossumfelldecke und schien zu schlafen. Die älteste Frau saß neben ihm und hielt mit einem Blattwedel die Fliegen von seinem Gesicht fern. Die beiden anderen hockten in respektvollem Abstand, während sie damit beschäftigt waren, eines der feinmaschigen Netze aus Rindenfasern zu knüpfen, mit denen die Bogong-Motten gefangen wurden– eine Delikatesse, die Dorothea immer noch den Magen umdrehte.
    King George lag so reglos wie ein Leichnam. Dorothea erschrak zutiefst. Er war doch nicht schon…? Nein, natürlich nicht. Sonst würden die Frauen nicht so ungerührt an dem Netz knüpfen. Beim Tod eines Jägers wurde von seinen Frauen erwartet, dass sie ihre Trauer laut und anhaltend herausschrien. Und nicht nur das! Ihr lief es kalt den Rücken herunter, als sie sich erinnerte, was Protector Moorhouse erzählt hatte: Mit scharfen Steinen oder Muscheln ritzten sie sich die Haut an Oberschenkeln und Brüsten, sodass sie bald blutüberströmt waren. Ihre Haare wurden mit heißer Asche bis zu den Wurzeln abgesengt und darüber dann aus einem feinen Netz und feuchtem Ton eine » Trauerkappe« geformt, die sie zu tragen hatten, bis sie von selbst abfiel.
    Die jüngste, ein ausgesprochen hübsches Mädchen von vielleicht Anfang zwanzig, hob verstohlen den Kopf und warf ihr einen verschwörerischen Blick zu. Es war ein Blick, der Dorothea verblüffte, ehe ihr klar wurde: Er galt nicht ihr. Er galt Parnko. Der junge Aborigine stand dicht hinter ihr und schien die junge Frau gut zu kennen, denn eine verräterische Röte stahl sich in ihre Wangen. Höchstwahrscheinlich waren die beiden ein heimliches

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