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Die roten Blüten der Sehnsucht

Die roten Blüten der Sehnsucht

Titel: Die roten Blüten der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Peterson
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zu Heather nicht mehr durchgedrungen«, erklärte Ian. » Und jede Bestrafung hätte sie nur in ihrer Verstocktheit bestärkt. Ich musste etwas anderes versuchen. Also habe ich den Wall, den sie in sich aufgebaut hatte, mit einem Überraschungsangriff durchbrochen.« Er grinste. » Aber eine tolle Leistung war es schon: John hat mir erzählt, sie hat dreizehn Männer ausgestochen.« Sein Grinsen wurde breiter. » Ich hätte zu gerne Morphetts Gesicht gesehen, als er bemerkte, dass eine Frau gewonnen hat! Er hatte nämlich ein Fass Rum als Siegerpreis gestiftet.«
    Dorothea kämpfte kurz dagegen an, schaffte es aber nicht, das aufsteigende Gelächter zu unterdrücken. » Wirklich?« Schließlich prustete sie los und lachte. » Ich vermute, die Unterlegenen haben sich später damit getröstet.«
    Die nächsten Tage schlich Heather in gedrückter Stimmung durchs Haus. Allzu lange hielt die Reue jedoch nicht an. Kurz vor King Georges großem palti hatte sie schon wieder so weit zu ihrer alten Form zurückgefunden, dass die Lautstärke, in der sie sich mit Robert zankte, von der Veranda bis in die Küche reichte.
    » Ich weiß nicht, wie ich es anstellen soll, aus ihr eine Lady zu machen.« Dorothea seufzte und sah von dem Menüplan für die nächste Woche auf, den Mrs. Perkins gerade mit ihr besprach. » Keine Sorge. Das wird schon werden, Ma’am«, gab die Köchin, sichtlich unbeeindruckt von der lautstarken Auseinandersetzung, zurück. » Das Mädel hat einen prima Kern.«
    Am Tag des palti schien die Sonne von einem strahlend blauen Himmel auf eine Landschaft, die nach Lady Chatwicks Ansicht einem Maler als Vorbild für eine Darstellung des Gelobten Landes hätte dienen können. Der Murray River führte immer noch reichlich Wasser, aber die Strömung war nicht mehr so stark wie noch wenige Wochen zuvor, als es ein äußerst gefährliches Unterfangen gewesen war, den Fluss zu überqueren.
    Mrs. Perkins hatte sich in ihr bestes Kleid aus schwarzem Kretonne gezwängt, und selbst Lady Chatwick hatte der Wichtigkeit des Anlasses gemäß ihre Haube mit einem Bund schwarzer Straußenfedern aufgeputzt. Die Kanus, mit denen sie abgeholt wurden, glitten unter den geschickten Ruderschlägen der Männer wie von unsichtbaren Fäden gezogen über die Wasserfläche. Die Eingeborenen kannten jede Stromschnelle, jede Eigenheit dieses Flussabschnitts und brachten sie haargenau an die Stelle des gegenüberliegenden Ufers, an dem King George sie bereits erwartete.
    Für dieses palti, das sein letztes werden sollte, hatte der Alte sich geschmückt wie zu einer Hochzeit: Aus dem weißen Kraushaar ragten Emufedern und ein seltsames Gebinde aus Knochen und Zähnen. Seinen Opossumfellmantel trug er mit einer Grandezza, die eines Krönungsmantels würdig gewesen wäre. In der Rechten hielt er eine Art Speer oder Zeremonienstab, von dessen Spitze kunstvoll gebundene Büschel aus bunten Vogelfedern baumelten.
    » Willkommen, willkommen, meine englischen Freunde«, sagte er, sobald sie alle aus den Kanus an Land geklettert waren. Hinter ihm drängten sich neugierig die Männer des verwandten Stammes aus dem Norden, und Dorothea war froh, dass Ian sich nicht hatte erweichen lassen und darauf bestanden hatte, Heather und Trixie samt der Kleinen in Johns Obhut zurückzulassen. Die Fremden waren bis auf ihre Bemalung nackt, wie Gott sie erschaffen hatte. Nein, schlimmer als nackt, denn sie hatten auf höchst anstößige Weise ihre Geschlechtsteile mit farbigen Schnüren umwickelt, sodass sie zwar notdürftig verhüllt waren, der Blick jedoch unwillkürlich von dem auffälligen Zierrat angezogen wurde.
    » Schamlose Bande!«, murmelte Mrs. Perkins. Ihre anfängliche Empörung über solche Sitten war im Lauf der Jahre einer eher milden Missbilligung gewichen. Konnte man diesen Wilden einen Vorwurf daraus machen, dass sie nicht das Glück gehabt hatten, in eine Zivilisation wie die englische hineingeboren worden zu sein? Das Einzige, das sie ihnen nicht nachsah, war die Widerborstigkeit, mit der sie sich der Übernahme dieser Zivilisation widersetzten.
    » Ja, aber interessant«, bemerkte Lady Chatwick und musterte die prächtig gebauten Gestalten wohlwollend. » Ich habe mich manchmal schon gefragt, ob wir in Europa in früheren Zeiten auch so herumgelaufen sind. Vielleicht waren wir ja auch einmal so primitiv wie sie und haben…«
    » Schon gut«, unterbrach Ian ihre kulturhistorischen Reflexionen. » Seht ihr nicht, dass sie es kaum noch abwarten

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