Die roten Blüten der Sehnsucht
sie ihre neue Cousine nur fragen wollen, ob sie Hilfe beim Frisieren bräuchte.
» Meine Güte, die Sachen sind doch viel zu vornehm für hier. Selbst in Adelaide habe ich so etwas noch nie gesehen!« Bewundernd strich sie mit den Fingerspitzen über die Borte aus gestickten Rosenranken am Saum eines cremefarbenen Seidenrocks. » Wann willst du das denn tragen?«
» Wenn mir danach ist.« Catriona lachte und schüttelte ihre Petticoats aus.
Dorothea schätzte, dass sie tatsächlich ein Dutzend brettsteif gestärkter Unterröcke trug, wie es in den Mode-Magazinen bei ihrer Mutter empfohlen wurde. » Du wirst fürchterlich schwitzen mit all diesen Petticoats«, warnte sie. » Im Sommer begnügt man sich in Adelaide mit allenfalls einem halben Dutzend. Und hier draußen auf Eden House trage ich nur zwei bis drei.«
» Eine echte Lady schwitzt nicht«, belehrte Catriona sie herablassend. » Wenn man sich wenig bewegt, ist es gut auszuhalten. Für die Schönheit muss man schon bereit sein, hier und da ein Opfer zu bringen. Madame Fauchet würde sich in der Themse ertränken, wenn sie sähe, dass ihre Roben wie Morgenröcke getragen werden!«
» Sie ist aber nicht da, um es zu sehen. Du kannst also ruhig ein paar davon wieder ausziehen.«
» Auf keinen Fall!« Mit vor Konzentration gefurchter Stirn versuchte Catriona, ihre Wahl zu treffen. » Ich denke, ich werde heute das Prinzesskleid in Pomonagrün tragen. Dazu die passenden Musselinmanschetten und die neapolitanische Spitzenpelerine. Oder fändest du dieses Fichu passender?« Abwägend hielt sie in einer Hand einen kurzen Umhang aus cremefarbener Spitze, in der anderen ein Schultertuch aus goldgerändertem Schleierstoff.
Dorothea in ihrem einfachen Kleid aus kariertem Baumwollbatist konnte ihre Ungeduld nur schwer zügeln. » Nimm das Fichu«, sagte sie auf gut Glück. Es erschien ihr eine Winzigkeit luftiger.
» Gut, wenn du meinst.« Catriona ließ den Morgenmantel zu Boden gleiten und griff schon nach dem Kleid, als Dorothea bemerkte, dass sie ein Gebilde trug, das sie bisher nur in den allerneuesten Magazinen angepriesen gesehen hatte: ein Korsett mit Vorderverschluss. Es wirkte ausgesprochen elegant.
» Du trägst ein Korsett?«, entfuhr es ihr.
» Natürlich. Du nicht?« Catriona sah sie erstaunt an.
» Nein, meine Mutter hält sie für ungesund und Dr. Woodforde auch«, sagte Dorothea und bewunderte dabei im Stillen den Sitz von Catrionas Kleid. Sie sah einfach atemberaubend gut darin aus: Kein Fältchen an der falschen Stelle störte die vollendete Linienführung der engen Korsage mit den sich an den Ellenbogen trichterförmig verbreiternden Ärmeln. Catriona befestigte gerade ein Paar üppig gerüschter Ärmelmanschetten darin und schien von dieser Tätigkeit vollkommen in Anspruch genommen. » Außerdem sieht mich hier sowieso niemand. Warum also soll ich es mir unbequemer machen als nötig?«
» Ohne Korsett würde ich mich nackt fühlen«, erklärte Catriona und drehte sich hin und her, um sich in Heathers schmalem Spiegel zu betrachten. » Gibst du mir mal die Haube dort auf dem Tisch?«
Erst die dritte Haube, ein frivoles Nichts aus Spitze und Bändern, aufgeputzt mit künstlichen Rosenknospen, fand Gnade vor ihren Augen. Bis dann endlich noch die richtigen Halbhandschuhe und Satinslipper in einer passenden Farbschattierung gefunden waren, hatte Dorothea das Gefühl, den gesamten Vormittag vertrödelt zu haben.
» Ich hoffe, Mrs. Perkins liest uns nicht die Leviten. Sie kann es nicht leiden, wenn sie alles so lange im Esszimmer stehen lassen muss«, sagte sie, als sie vor Catriona die Treppe hinunterhastete.
» Hast du etwa Angst vor deiner Köchin?« Catriona schien ehrlich erstaunt. » Ich weiß, alte Dienstboten nehmen sich so einiges heraus. Aber du bist hier die Hausherrin. Du musst dir nicht alles bieten lassen. Notfalls setzt du sie vor die Tür.«
» Das könnte ich nie!«
» Hat das etwas mit– wie hieß er noch?– Robert zu tun?« Ihre Cousine musterte sie scharf von der Seite. » Ich glaube mich zu erinnern, dass du von ihm als deinem ersten Ehemann sprachst.«
Dorothea kämpfte gegen die instinktive Abneigung an, mit irgendjemandem darüber zu sprechen. Schließlich gehörte Catriona zur Familie und hatte gestern ihrerseits mit nichts hinter dem Berg gehalten. Sie schuldete ihr zumindest das gleiche Maß an Ehrlichkeit. Im Speisezimmer standen nur noch ihre zwei Gedecke. Selbst Lady Chatwick, sonst immer die Letzte, war
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