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Die roten Blüten der Sehnsucht

Die roten Blüten der Sehnsucht

Titel: Die roten Blüten der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Peterson
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des Dramas geworden wäre, das so niemand erwartet hätte.
    Dorothea wurde von einem unheimlichen Stöhnen auf der Veranda geweckt. Ihr erster Gedanke war: Der Skelettmann ist zurückgekommen! Schweißüberströmt und mit so heftig schlagendem Herzen, dass ihre Ohren dröhnten, kämpfte sie darum, die Angststarre abzustreifen, die sie lähmte. Die Kinder! Sie musste sie beschützen!
    Sein Gewehr hatte Ian natürlich mitgenommen. Aber in der Lade seiner Kommode bewahrte er ein Paar Pistolen auf. Mit zitternden Fingern tastete sie nach ihnen und versuchte, sich zu erinnern, wie man sie lud. Ian hatte es ihr gezeigt, nachdem sie sich geweigert hatte, ihr Wurfmesser auch noch ein einziges Mal anzurühren.
    Außer dem schrecklichen Stöhnen wie von einem sterbenden Tier, das grässliche Schmerzen litt, war kein Laut zu hören. Mrs. Perkins schlief den Schlaf der Gerechten und Lady Chatwick den nach ihrer gewohnten Portion Portwein zu erwartenden. Catrionas und Mr. Billingsworths Zimmer gingen nach hinten hinaus. Falls sie überhaupt etwas hörten, dürften sie es als normale Nachtgeräusche abtun.
    Niemand würde ihr zu Hilfe kommen. Wenn sie nur etwas mehr sähe! Wie sollte sie im Dunkeln eine Pistole laden? Wie die richtige Menge Schießpulver abmessen? Wie die Kugel in den Lauf stopfen? Ian hatte ihr eingeschärft, dass sie dabei mit äußerster Präzision vorgehen musste, damit ihr die Waffe nicht in der Hand explodierte. Unmöglich!
    Frustriert warf sie die Pistole zurück in ihren Kasten und wühlte hektisch in der Schublade mit ihren Taschentüchern und Strümpfen nach dem Wurfmesser. Karl hatte es ihr in die Hand gedrückt, bevor er nach London aufgebrochen war. Sie hatte es nicht übers Herz gebracht, es wegzuwerfen, aber auch seinen Anblick nicht ertragen können. Zu genau erstanden dann jene schrecklichen Momente wieder vor ihrem inneren Auge. Deswegen hatte sie es in den hintersten Winkel geschoben. Jetzt war es erneut ihre letzte Verteidigungsmöglichkeit. Hektisch tasteten ihre Finger nach dem scharfen, harten Metall, als ein lautes Hämmern an der Vordertür sie zusammenfahren ließ.
    » Ma’am, Mrs. Perkins! Hilfe, Hilfe!« Es war unzweifelhaft Parnkos Stimme, und sie klang angstverzerrt. Für einen winzigen Moment schoss ihr der Zweifel, den Catriona über seine Zuverlässigkeit geäußert hatte, durch den Kopf. War es vielleicht eine Falle? Wollte er sie alle hinauslocken, um sie draußen von seinen Kumpanen erschlagen zu lassen?
    Unsinn! Nie und nimmer brächte Parnko eine solche Perfidie auf.
    Es musste etwas anderes sein. Vielleicht ein verletzter Aborigine? Sie warf sich ihren alten Flanellmorgenrock über und rannte die Treppe hinunter. Als es ihr endlich gelungen war, mit ihren immer noch zitternden Fingern den Riegel zurückzuschieben, bot sich ihr ein erschreckendes Bild: Parnko hockte neben einer zusammengekrümmten menschlichen Gestalt, die halb schon auf den Dielen der Veranda, halb noch auf den Treppenstufen zusammengebrochen war. Selbst im fahlen Mondlicht war zu erkennen, dass sie blutüberströmt war. Die Schmerzenslaute waren verstummt, nur ein leises Röcheln drang an Dorotheas Ohr. Wenn noch Hilfe möglich war, war keine Zeit zu verlieren.
    » Ich wecke Mrs. Perkins«, sagte sie rasch. Der Anblick und vor allem der unverwechselbare metallische Geruch des Blutes ließen die vertraute Panik in ihr aufsteigen. Sie hatte sich schon umgedreht, als Parnko leise, sehr leise sagte: » Es ist Mannara. Bitte, Ma’am, helfen Sie ihr!«
    Dorothea wirbelte herum. » Bist du sicher?« Was für eine dumme Frage! Wenn einer die junge Frau erkannte, dann wohl ihr Liebhaber. Sie selbst war so selbstverständlich von einem verletzten Mann ausgegangen, dass sie gar nicht genau hingesehen hatte.
    » Wenn jemand ihr helfen kann, dann Mrs. Perkins«, sagte sie mit mehr Zuversicht, als sie empfand. » Schaffst du es, sie in die Küche zu tragen?«
    Mrs. Perkins zu wecken war kein leichtes Stück Arbeit. Erschöpft, wie sie war, brauchte sie einige Zeit, um zu verstehen, was Dorothea ihr zu erklären versuchte. » Muss das mitten in der Nacht sein, wenn anständige Christenmenschen schlafen?«, murrte sie, während sie sich schwerfällig aus dem Bett wälzte. » Sie könnten schon mal die Verbandsscharpie holen. Davon dürften wir eine Menge brauchen.«
    Als Dorothea mit dem Arm voller Leinenbinden die Küche betrat, hatten Parnko und Mrs. Perkins den Herd angefeuert. Das Wasser brodelte, und die beiden

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