Die roten Blüten der Sehnsucht
sich ihr Umgang auf ihre Familie und Ians Geschäftspartner. Vielleicht noch Matthew Moorhouse und seine junge Frau, sofern sie gerade in der Stadt waren und sich nicht auf ihrem Anwesen bei Encounter Bay aufhielten. Aber auch die waren nicht interessiert an Nachrichten aus Deutschland. So war es kein Wunder, dass sie jetzt fragend ihre Schwester Lisbeth ansah.
» Was für eine Revolution?«
» Die Märzrevolution! Du bist wirklich schon eine richtige Engländerin geworden, die sich für nichts anderes als englische Angelegenheiten interessiert«, sagte Lisbeth vorwurfsvoll und holte tief Luft. » In allen deutschen Ländern gärt es. Die Bürger verlangen Reformen und ein Bürgerparlament. Dafür haben sie sogar gekämpft. Wie im Krieg. Aber die Preußen haben gesiegt, und wer nicht geflohen ist, wurde arretiert und hingerichtet.«
Aus Lischens Mund klang das alles so fantastisch, dass Dorothea sich vornahm, bei nächster Gelegenheit Erkundigungen über diese deutsche Revolution einzuziehen. In den Zeitungen, die sie hielten, stand jedenfalls nichts darüber. Wahrscheinlich bauschte Lischen wieder einmal etwas auf. Das hatte sie schon immer gerne getan.
» Weiß Mama davon?« Mutter Schumann würde es kaum gutheißen, wenn ihre jüngste Tochter sich mit einem Revolutionär einließ. Revolutionär. Es klang schon so liederlich.
Lischen schüttelte den Kopf. » Ich habe ihr gesagt, ich hätte so oft Kopfschmerzen in letzter Zeit und das Elixier von Mr. Merryweather wäre das Einzige, das mir wirklich helfen würde. Ich hatte schon Angst, dass sie mich zu Dr. Woodforde schleppen würde, aber sie hat nichts gesagt, außer dass ich vorsichtig mit der Dosierung sein sollte.«
Dorothea glaubte nicht, dass ihre Schwester die Mutter wirklich hatte täuschen können. Dafür war sie zu hellsichtig. Vermutlich rechnete sie damit, dass die Sache sich von selbst erledigen würde.
So gerne sie mehr aus Lischen herausgequetscht hätte – sie konnten die Grenfells nicht so lange sich selbst überlassen. Mit leisem Bedauern verschob Dorothea die Inquisition auf einen passenderen Zeitpunkt, goss den Zitronensaft in das von Lischen vorbereitete Zuckerwasser und stellte die Gläser auf ein Tablett.
Sie hatte gerade allen eingeschenkt, als ihre Mutter sich der Gesellschaft anschloss. Mutter Schumann sah etwas blass aus. Kein Wunder, bei den unzähligen Stunden, die sie über eine Näharbeit gebeugt saß. » Entschuldigung, es war nicht so einfach, Mrs. Mann zufriedenzustellen«, sagte sie, nachdem sie alle begrüßt hatte, und lächelte etwas gequält. » Manche französischen Novitäten sind nicht so einfach zu bekommen. Wir sind hier eben doch sehr weit von Paris entfernt.«
» Der Pariser Chic, denke ich, wird manchmal überschätzt«, sagte Catriona sanft. » Er hat mitunter so eine, wie soll ich sagen, gekünstelte Note. Zum Beispiel der Redingote. Seine eher maskuline Schnittführung mag ja für ein Reitkostüm passend sein, aber wer möchte in einer solchen Aufmachung Besuche machen?« Sie lachte leise und melodisch. » Jeder würde denken, man sei zu Pferd unterwegs. Wie absurd!« Sie nahm einen Schluck Limonade, ehe sie fortfuhr: » Darf ich so unverschämt sein und Sie darum bitten, mir Ihre neuesten Entwürfe zu zeigen? Was ich in Dorothys Kleiderschrank gesehen habe, hat mich neugierig gemacht. Es ist so ganz anders als das, was man gemeinhin sieht.«
» Aber gerne«, erwiderte Mutter Schumann geschmeichelt. » Ich bitte Sie nur, nicht Ihre Londoner Maßstäbe anzulegen. Mit den dortigen Ateliers können wir Provinzler natürlich nicht mithalten.«
Zu Dorotheas Erstaunen schien ihre Mutter sich wirklich über Catrionas Interesse zu freuen. Ihre Wangen hatten sich leicht gerötet, und ihre Augen blitzten lebhaft. Sie fühlte sich vollkommen in ihrem Element. Keine Spur mehr von der zurückhaltenden Missionarsfrau.
Wieso war ihr nicht früher aufgefallen, wie gerne sie über Schnittmuster und Stoffe sprach? Während Percy mit der neuesten Ausgabe des Register und einem weiteren Krug Limonade sich selbst überlassen wurde, zogen die Damen sich in die Werkstatt zurück.
» Oh, ich sehe, Sie haben da die neue World of Fashion«, rief Catriona aus. » Beziehen Sie sie regelmäßig?«
» Ja, außerdem The Ladies Cabinet und die Ladies Gazette of Fashion. Aber ich weiß nicht, ob das Blatt sich lange halten wird. Zu extravagant, wenn Sie mich fragen. Hier, sehen Sie nur diesen Pardessus! Alles voll Rüschen und
Weitere Kostenlose Bücher