Die roten Blüten der Sehnsucht
Falbeln. Ein Besatz aus Litze oder Kurbelstickerei würde sehr viel eleganter wirken.«
» Oder Schwanendaunen. Die sind nur sehr empfindlich.«
Im Nu waren Catriona und Mutter Schumann in eine Diskussion über das passende Material für Besätze verwickelt.
Dorothea nutzte die Gelegenheit, packte ihre Schwester am Arm und zog sie in den angrenzenden kleinen Salon, in dem die Kundinnen empfangen wurden. » So, jetzt einmal heraus mit der Sprache: Wo hast du deinen Heinrich überhaupt getroffen? Ihr müsst euch ja öfter sehen, wenn du schon so viel über ihn und diese Revolution weißt.«
» Es war reiner Zufall, dass wir uns über den Weg liefen«, erzählte Lischen, anfangs etwas zögernd, aber dann brach sich doch ihr Mitteilungsbedürfnis Bahn. » Ich wollte eigentlich zu dem Vortrag über die Tierwelt Australiens, aber der war kurzfristig abgesagt und durch einen über chemische Experimente ersetzt worden. Gerade als ich wieder gehen wollte, kam Heinrich durch die Tür.« Sie verstummte und wurde über und über rot. » Er lächelte mich an und sagte: Bin ich hier richtig, gnädiges Fräulein? Ich möchte zum Vortrag von Mr. Allom.«
Lischen verstummte und schwelgte so offensichtlich in der Erinnerung an diesen Augenblick, dass Dorothea ungeduldig fragte: » Schön, und wie ging es mit euch weiter?«
» Ich blieb natürlich«, sagte Lischen. » Nach dem Vortrag fragte er mich, ob er mich nach Hause bringen dürfte. Ein richtiger Gentleman. Er hat nicht einmal versucht, mich zu küssen, wie es normal gewesen wäre.«
» Lisbeth!«
» Ach komm, spiel hier nicht die Tugendhafte!«, sagte ihre Schwester völlig unbeeindruckt. » Du glaubst doch nicht, dass er mein erster Verehrer gewesen ist?«
Genau davon war Dorothea fest überzeugt gewesen. Also schluckte sie jetzt jegliche Erwiderung hinunter und bat Lisbeth nur fortzufahren.
» Als er nicht wieder auftauchte, um mich zu einem Spaziergang einzuladen oder so etwas, habe ich die Dinge in die Hand genommen. Er hatte mir ja gesagt, dass er in Merryweathers Apotheke arbeitet. Also ging ich hin und hatte Glück: Er war ganz alleine im Laden.«
Dorothea betrachtete ihre Schwester mit neuem Respekt. Das hätte sie ihr nicht zugetraut.
» Dann war alles ganz einfach. Er erkannte mich wieder, und ich glaube, er war echt erfreut. Diesmal fragte er mich nämlich, ob ich mit ihm den neuen, botanischen Garten besichtigen wollte. Natürlich sagte ich zu.«
» Was ist mit seiner Familie? Lebt sie auch hier?«
Lischen schüttelte den Kopf. » Nein, seine Mutter ist kränklich und hätte die Seereise wohl nicht überstanden. Heinrichs Vater und seine Schwester sind in Deutschland geblieben und führen ihre Apotheke dort weiter. Sobald Heinrich genug zusammengespart hat, will er Mr. Merryweather wegen einer Teilhaberschaft fragen.«
» Wann wird das sein? Bald?«, fragte Dorothea interessiert. Sie vermutete, dass das der Zeitpunkt wäre, an dem der junge Mann ihrer Schwester einen Antrag machen würde.
Lischens Züge verfinsterten sich. » Nein.«
» Willst du ihn heiraten?«
» Lieber heute als morgen! Aber Heinrich weigert sich, über eine gemeinsame Zukunft zu sprechen, solange er mir nichts bieten kann.« Lischen schnaubte verächtlich durch die Nase. » Als ob mir das wichtig wäre! Hier wäre Platz genug im Haus. Seit die Jungen weg sind, stehen ihre Zimmer leer.«
» Habt ihr Nachrichten von ihnen?«, fragte Dorothea, sofort abgelenkt.
» Nichts seit dem letzten Brief von Ostern. Den hast du ja auch gelesen. Es hat sich nicht so angehört, als ob sie bald zurückkämen.«
» Du meinst, weil Koar so von diesem St. Thomas Lehrhospital geschwärmt hat?– Es war wirklich ungemein großzügig von Mr. Angas, ihm ein Stipendium auszusetzen. Er ist ein richtiger Philanthrop!«
» Nun, ich hörte, es sei so eine Art Wette gewesen«, wandte Lischen ein. » Er will beweisen, dass es möglich ist, die Eingeborenen Südaustraliens zu zivilisieren. Einer seiner Freunde von der Londoner Gesellschaft zum Schutz der Eingeborenen hatte bezweifelt, dass man ihnen das nötige Wissen beibringen könnte.«
» Wirklich?« Dorothea runzelte enttäuscht die Stirn.
» Du erwartest immer noch zu viel von den Menschen, Doro«, sagte ihre Schwester und legte ihr liebevoll den Arm um die Schultern. » Wenn er es nicht allein aus Freundlichkeit getan hat, sondern auch noch einen klitzekleinen Vorteil für sich daraus ziehen will– was ist daran denn so verwerflich? Die
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