Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman
also Seips seltsame Andeutungen, es liege an Alexander, seine Familie vor dem Ruin zu bewahren! Gold! Lina fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Dass sie dabei in die Mündung eines Revolvers blickte, ließ sie erneut in kalten Schweiß ausbrechen und ihre Gedanken schwerfällig kreisen.
Seip senkte die Waffe ein kleines Stück. »Ich habe damals mit ihm gesprochen, in aller Ruhe. Mit weiterem Gold hätte er seine Familie leicht von all ihren Schulden befreien können. Aber davon wollte dein junger Freund ja nichts wissen.«
Allmählich fügten sich in Linas Kopf lauter einzelne Puzzleteile zu einem Ganzen. Fast konnte sie hören, wie sie leise klackend an ihren Platz rutschten. »Und deswegen haben Sie es jetzt über seinen kleinen Bruder versucht!«
»Was für ein überaus kluges Persönchen du doch bist.« Seip nickte anerkennend. »Du kannst mir glauben, der kleine Treban – Julius heißt er, nicht wahr? – war schnell Feuer und Flamme für meine Idee. Vor allem als ich ihm sagte, dass es jetzt an ihm liege, seine Familie zu retten.«
»Ich glaube nicht, dass Julius weiß, wo Alexander Gold gefunden hat.«
»Nun, er wird zumindest eine ungefähre Ahnung haben. Und was noch viel wichtiger ist: Sein großer Bruder wird alles daransetzen, ihn zu finden.«
»Deswegen sind Sie uns also gefolgt? Weil Sie dachten, wir führen Sie zu dem Gold?«
»So ist es. Mit einem guten Pferd war es ein Leichtes, euch auf dem Landweg zu folgen.« Seip ließ die Waffe noch weiter sinken, holte ein geblümtes Taschentuch aus seiner Westentasche und tupfte sich den Schweiß von der Stirn. »Aber allmählich habe ich keine Lust mehr, euch hinterherzureiten. Wir kürzen die ganze Sache ab. Du verrätst mir jetzt augenblicklich, wo die Fundstelle ist, dann bin ich schneller wieder weg, als du deinen Namen sagen kannst.«
Linas Mund war plötzlich vollkommen trocken. Gleichzeitig schlugen ihre Gedanken Purzelbaum. Seip glaubte offenbar, Alexander hätte ihr die Fundstelle des Goldes verraten. Wenn sie die Wahrheit sagte und behauptete, nichts davon zu wissen, würde er sie womöglich niederschießen wie einen tollwütigen Hund. Und was war, wenn Alexander plötzlich hier auftauchte? Auch er hatte eine Waffe … Kalter Schweiß sammelte sich auf ihrem Rücken, als sie sich ausmalte, was alles passieren könnte.
Sie musste sich etwas einfallen lassen. Und Alexander warnen.
»Also?« Eine weitere ungeduldige Geste.
Wenn sie Seip zu Fall oder wenigstens kurz aus dem Gleichgewicht bringen könnte … dann hätte sie vielleicht genug Zeit, um wegzulaufen, sich in Sicherheit zu bringen.
»Versprechen Sie mir, uns nichts zu tun, wenn ich es Ihnen sage?«
Seip nickte gnädig. »Natürlich. Bin ja kein Unmensch.«
Lina hätte es fast gewürgt. »Dann … kommen Sie, ich zeige es Ihnen.«
Sie konnte direkt sehen, wie Misstrauen und Gier in ihm miteinander rangen. Die Gier gewann. »Wo?«
»Dort hinten«, sagte sie und wies hinunter in die Ebene. Ein leichter Schwindel ergriff sie und sie musste sich an einem großen Farn festhalten. Dort unten erstreckte sich ein großes, grasbewachsenes Tal, durch das sich ein Fluss wand. Gold wurde meist in Flussläufen gefunden, hatte sie einmal gehört. »Sehen Sie, wo der Fluss die große Biegung macht?«
Seip trat näher zu ihr. »Ich sehe es.«
Jetzt! Lina rammte ihr ganzes Gewicht gegen den schweren Körper, dann warf sie sich herum und rannte los. Oder versuchte es zumindest.
Eine eisenharte Hand schloss sich um ihren Oberarm. »Was fällt dir ein?«
Lina schluchzte auf vor Angst. Sie strampelte und trat um sich, versuchte, ihn abzuschütteln, doch er war stärker.
»Versuch das nicht noch einmal!«, sagte er drohend und zerrte sie nach vorne.
Mühelos zog er sie an den Rand des Steilhangs. Das Herz klopfte ihr laut in den Ohren, ihre Beine waren wie Pudding. O Gott, es war so tief!
»Und jetzt zeig mir gefälligst die Stelle!«
So nah am Abgrund konnte sie nicht einen klaren Gedanken fassen. Alles drehte sich um sie, ihr Magen war ein steinharter Knoten Angst. Reflexartig wollte sie zurückweichen.
»Hiergeblieben, Mädchen!« Seips Hand schloss sich noch fester um ihren Oberarm, zog sie näher an die Kante.
Lina zuckte zurück, ihr ganzer Körper versteifte sich. Es fühlte sich an, als würde sich der Boden unter ihren Füßen lösen. Nein, es fühlte sich nicht nur so an, es geschah auch! Seip fluchte und ließ sie los. Sie schrie auf, wollte sich an ihm festklammern, fasste
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