Die Rückkehr der Königin - Roman
beide sehnsüchtig herumtanzten. Doch dann ließ er sich anmutig zu Angharas Füßen nieder. Sie blickte auf die Schatten, welche die tanzenden Flammen auf sein Gesicht malten.
»Du siehst müde aus«, sagte sie unerwartet. »Machst du alles selbst – wie immer?«
Kieran schaute auf und fuhr sich mit den Fingern durchs dunkle Haar. »Nein«, antwortete er. »Viele gute Männer helfen. Adamo und Charo bilden ein großartiges Gespann; mit Zwillingen an der Seite kann man buchstäblich einen Mann an zwei Orten gleichzeitig haben. Diesen Vorteil habe ich schon vor langer Zeit bemerkt. Rochen hat nicht immer die beste Laune – es ist die Frustration wegen seiner Wunde und das Wissen, dass er selbst schuld ist, dass er sie bekommen hat. Bei den Göttern. Er ist so stürmisch aus der Deckung gerast, dass ich ihn beinahe für Charo gehalten habe! Aber wenn er er selbst ist, ist er wie ein Fels. Und Melsyr ... Melsyr hat es sich in den Kopf gesetzt, Erster General zu werden.«
»Ich dachte, das wärst du?«
»Ich?«, fragte Kieran echt verblüfft. Die Frage offizieller Titel war nie aufgekommen.
»Du bist es seit Jahren, wenn auch nicht mit dem Titel«, sagte Anghara. »Willst du behaupten, dass du den Posten nicht willst?«
»Ich weiß nicht«, antwortete Kieran. Er war ... etwas anderes. Er war Freund und Beschützer. Er war derjenige, der den Weg zu ihrem Thron geebnet hatte. Er hatte sie im Anblick ihres Volkes gekrönt, wenngleich nur mit einem Blumenkranz. Er war weniger als ein General – gleichzeitig aber auch viel mehr. Die meisten Männer unter seinem Kommando waren während seiner Jahre als Gesetzloser seine Kameraden gewesen und folgten ihm mehr aus Freundschaft als in festgelegten Kommandostrukturen. Kieran spürte einen eigenartigen Widerwillen, diese Beziehungen jetzt zu formalisieren. Aber er lächelte zu ihr auf. »Ernennst du mich?«
»Irgendjemanden muss ich wohl ernennen«, sagte Anghara. »Früher oder später.«
Kieran schaute ins Feuer. »Es ist immer besser, einen Wachposten mit dem Zweiten Gesicht am Feuer zu haben, als hundert Spione im Feld«, meinte er mit einem Hauch Ironie. »Ich bezweifle nicht, dass du mir die genaue Stunde sagen wirst, in der Sif Kir Hama unter Miraneis Mauern auftauchen wird. Zeigt dir deine Vision auch, was danach geschieht?«
Es war eher eine rhetorische Frage, aber Angharas einsilbige Antwort schockierte Kieran. Mit einem Ruck schaute er zu ihr auf.
»Nein«, sagte sie nur.
Ein Dutzend Gedanken explodierten in Kierans Kopf gleichzeitig, wie ein aufgescheuchter Schwarm Tauben. Plötzlich spürte er beklemmende Angst, dass Kheldrin die Aufgabe doch nicht vollständig gelöst hatte, und ein Teil von Anghara für immer verloren sein könnte. Er fand keine Worte. Dann lächelte Anghara in das Schweigen und es schien nicht mehr so schlimm.
»Nein, alles ist verschlossen und neblig. Seit Stunden versuche ich daran vorbeizukommen, aber es scheint so, als sei es nicht gut, wenn ein Sterblicher gewisse Dinge voraussieht.«
»Du hast mal gesagt, dass du keine gewöhnliche Sterbliche mehr bist«, sagte Kieran und vergaß, dass er sie damals deswegen getadelt hatte.
»Stimmt, aber nur bis zu einem gewissen Grad«, pflichtete Anghara ihm bei. »Einiges ist zu einem geflügelten Geist von Kheldrin geworden.«
»Und Keruns Nachfolgerin hier in Roisinan«, sagte Kieran nachdenklich. »Das ist viel, was man von sich verlieren kann.«
»Ich habe ein uraltes Orakel eingerissen und ein neues errichtet«, sagte Anghara, eher laut denkend als gesprächsweise. »Ich habe mit den alten Göttern gesprochen, nur um Zeuge zu werden, wie sie bei meiner Berührung verschwunden sind; und dennoch ... das alles ist fort, ist Vergangenheit, und mir ist nur das Zweite Gesicht geblieben – die schlichte Vision in einer unbedeutenden Dorfhütte in Roisinan, wo eine angeblich weise Frau das Feuer liest. Und irgendwie reicht es nicht.« Sie hob die strahlenden Augen zu Kieran. »Ich bin mir nicht sicher, was als Nächstes geschehen wird.«
Kieran kannte diese Launen. Sie wurde wieder entrückt, weniger gefährlich als damals, als der Wahnsinn sie vor langer Zeit auf die Ebenen Shaymirs getrieben hatte, aber es war derselbe Geisteszustand. Sie brauchte den gleichen bedingungslosen Glauben als Gegenmittel.
Er griff nach ihrer Hand auf der Pelzdecke. »Ich brauche das Zweite Gesicht nicht. Ich weiß, was kommt. Die Sterne sind auf deiner Seite; du bist dort, wo du sein solltest, und nichts
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