Die Rückkehr der Königin - Roman
um seinen linken Arm hielt er den Schaft des Kir Hama Banners. Die Armee, gegen die sie hinausritten, kämpfte unter dem gleichen Banner.
Anghara schickte auch die gesamte Dienerschaft aus ihren Gemächern und setzte sich allein vors Feuer. Sie hoffte, diesmal würde sich ihr Zweites Gesicht klären und ihr einen Blick auf die Vorgänge am Fuß von Miraneis Mauern gestatten. Die Flammen loderten an diesem Tag hell und leuchteten mit einer Art brüniertem Kupferschein. Sie waren so hell, dass sie immer wieder den Kopf abwenden und Tränen entfernen musste. Aber in ihnen sah sie nichts außer dicken Nebelschwaden und Rauch. Am Ende entfloh Anghara der erstickenden Atmosphäre ihres Gemaches und stieg auf die Verteidigungsanlagen hinauf, um mit eigenen Augen zu sehen, was ihr widerspenstiges Zweites Gesicht ihr zu sehen verwehrte. Die kupfernen Flammen vom Kamin schienen ihr zu folgen, Schmerzen pochten hinter ihren Schläfen. Der Anblick unter ihr war verwirrend. Mindestens ein Gebäude in der Stadt stand in Flammen; und draußen auf dem Moor tobte ein tödlicher Tanz, obwohl es schwierig war, seine Formation genau zu erkennen. Die kalte Luft trug Anghara entfernte, beinahe spöttische Lautfetzen zu – Schwerterklirren, ein unverständlicher Schrei, das Donnern von Hufen in der Ferne. Sie vermochte keine individuellen Gestalten zu erkennen, bemühte sich aber, ihr Zweites Gesicht anzustrengen, um wenigstens Kieran inmitten des Gewühls da unten zu sehen. Endlich fand sie ihn. Seine Gedanken waren intensiv auf den kräftigen Soldaten gerichtet, der einen schweren Zweihänder gegen ihn schwang, und das mit einer Leichtigkeit, als sei das Schwert aus Weidengerten gemacht und nicht aus angelassenem Stahl geschmiedet. Ein Schlag und alles wäre vorbei. Anghara erinnerte sich mit außergewöhnlicher Deutlichkeit an eine Vision, in der eine nackte Klinge auf Kieran herabsausen wollte. Damals ... es war in Bresse ... es schien tausend Jahre zurückzuliegen ... hatte sich die Vision entschieden, dass er auf einem fernen Schlachtfeld zum Ritter geschlagen worden war. Jetzt würde keine Gnadenfrist gewährt werden. Anghara hörte den Schrei einer Stimme und wusste gleich darauf, dass es ihre eigene gewesen war. Doch auch Kieran schien etwas zu hören, wenngleich nur für einen winzigen Moment. Er zögerte – vielleicht zu lang. Das große Schwert senkte sich herab; Kierans zischte empor um zu parieren. In Kierans Gegenschlag war nicht genug Kraft, um die tödliche Klinge abzuwehren, außerdem erfolgte er zu spät. Stahl traf klirrend auf Stahl. Funken stoben, als die beiden Klingen sich kreischend aneinanderrieben. Doch die Kraft, mit welcher der Schlag geführt worden war, reichte nicht aus. Gleich darauf wurde klar, weshalb. Der Hüne ließ sein großes Schwert fallen und fiel seitlich vom Pferd, aus seinem Rücken ragte der Schaft eines Eschenspeers. Kieran blickte in die Richtung, aus der er geflogen war. Charo winkte fröhlich, ehe er sein Pferd mit den Knien wendete und das wiehernde Ross in den nächsten Zweikampf jagte. Anghara stieß oben auf der Brustwehr einen eigenartigen Laut aus, irgendetwas zwischen Lachen und Schluchzen. Sie lehnte sich gegen die Mauer, denn die Beine versagten ihr den Dienst. Sie spürte eher als dass sie hörte, wie eine Dienerin herbeieilte, und winkte ab, ohne sich umzudrehen. »Ich brauche keine Hilfe.«
»Mylady ...«
»Verlass diesen Ort«, befahl Anghara leise aber deutlich. »Ich möchte allein sein.«
»Jawohl, Mylady«, sagte die Dienerin nach einem Moment beredtem missbilligendem Schweigen. Obwohl die junge Königin noch nicht offiziell gekrönt worden war, befolgte man ihre Befehle. Dann war Anghara wieder allein auf dem Wehrgang, wie sie es wünschte; aber die kurze Unterbrechung hatte sie abgelenkt, und die Schlacht war wieder ein einziges Kampfgetümmel. Widerspenstig und ausdauernd tanzte der Kupferschein, den sie vom Kamin mitgenommen hatte, weiter in ihrem Kopf. Auch die Schmerzen vergingen nicht. Immer wieder rieb sich Anghara die Schläfen und versuchte, den Schmerzknoten aufzulösen, aber es waren keine körperlichen Schmerzen, nur ein ständiger heißer Schein, der alles in eigenartigem Licht erscheinen ließ, als würde sie die Dinge gleichzeitig durch ...
Durch ein anderes Paar Augen sehen .
Plötzlich herrschte Stille. Selbst der Wind hatte sich gelegt, als wolle die Welt schweigen in diesem winzigen Augenblick des Verstehens, ein Augenblick, in dem die Worte des
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