Die Rückkehr der Königin - Roman
würden einige Tage bleiben.
»Es tut mir leid«, flüsterte sie, als er neben ihr niederkniete und die Hand nach ihrem Gesicht ausstreckte. Eine Träne bahnte sich den Weg durch ihre Lider und hinterließ auf ihrer staubigen Wange eine nasse Spur. »Kieran ... was ist, wenn ich nie wieder ich selbst werde?«
Bei dieser letzten Frage blickten Kieran die großen blaugrauen Augen an. In ihnen stand solch unerträglicher Schmerz, dass Kieran nichts anderes tun konnte, als sie in einer Woge unaussprechlicher Zärtlichkeit in die Arme zu nehmen. Sie klammerte sich an ihn, wie Treibholz an einen Felsen.
»Kannst du aufstehen?«, fragte er nach einem Moment Schweigen. Sie schniefte laut und nickte. Dann ließ sie ihn los und verzog das Gesicht wegen der Schmerzen, mit denen sich jetzt der verletzte Arm meldete. Kieran folgte ihrem Blick. »Darum kümmern wir uns lieber gleich, ehe es schlimmer wird.«
Anghara saß ganz still da, während er sich niederbeugte und ihren Arm versorgte. Doch als er sich wieder aufrichtete, fragte sie ganz ruhig. »Kieran, sag mir, was hast du gesehen?«
Er schaute ihr offen ins Gesicht. »Nichts. Das ist die Wahrheit. Aber ich habe etwas gespürt ... in der Nacht, als du dich geschnitten hast ... du hast sie gerufen. Ich bin aufgewacht und habe den Wind wie einen Atem auf meinem Gesicht gespürt – und danach, als du geschlafen hast, waren Augen in der Nacht. Und jetzt, dieser Wirbelwind unter meinen Füßen, und dann wurde die Luft ... wie keine Luft, die ich je zuvor geatmet habe.«
Die Anwesenheit der Götter. Sie kannte das sehr gut. Ihre Augen waren groß, wie im Schock. »Ich kann sie nicht spüren ... ich kann gar nichts spüren ...«
Kieran schüttelte sie an der Schulter. »Nicht!«, sagte er, weil er erkannte, dass sie wieder versuchte, das Zweite Gesicht einzusetzen, wieder etwas versuchte, das sich ihr entzog. »Quäle dich nicht! Sie sind gekommen, als du sie gerufen hast. Ist das nicht genug?«
Sie lachte. Ein bitteres Lachen, das in einem Schluchzen endete. »Nie und nimmer. Es wird nie genug sein.« Mit plötzlicher Klarheit erinnerte sie sich an die Berührung von überirdischen Schwingen, an nicht menschliche Augen in einem großen Geierkopf; an das Geschöpf, das mit ihr gesprochen hatte, das ihr die Gabe einer Wiederauferstehung geschenkt hatte – al’Khur. War er jetzt neben ihr und wartete, um das Geschenk zurückzufordern? »Es wird nie genug sein.« Sie stand auf und wischte sich mit der heilen Hand den Staub ab, so gut sie konnte. »Können wir weiter?«, fragte sie. Ihre Stimme klang kläglich, keine Spur vom königlichen Befehlston.
»Ich hole dein Pferd«, antwortete Kieran nach einer kurzen Pause und drückte ihr ermutigend die Schulter.
Das Pferd lahmte, was keine große Überraschung war; Kieran lud die Last des Packpferdes auf Angharas Tier und sattelte das Packpferd. Sie würden langsamer vorwärtskommen, aber sie konnten die Pferde ohnehin nicht viel länger behalten. Sobald sie geeignete Kamele fanden, wollte Kieran die Pferde für diese eintauschen.
Wieder ritten sie in Richtung Nordnordost. Die ganze Zeit über hatte Kieran das ungute Gefühl von Augen im Rücken. Hätte er die Kheldrini besser gekannt, er hätte über ihr Sprichwort gelächelt, dass man in der Wüste nie allein sei. In diesem Moment wusste er genau, was sie meinten. Aber Anghara schien nichts zu bemerken, und Kieran sprach das Thema nicht an. Sie ritten zu weit vom Tanz in Shaymir entfernt vorüber, um ihn zu sehen.
In dieser Nacht, tief im Schatten von Kheldrin, sprach Anghara etwas unerwartet erstmals von Roisinan.
»Eine Armee«, sagte sie, die Knie in den Kreis ihrer Arme gezogen, ins Lagerfeuer starrend. »Ich habe Charo gesagt, er soll mir eine Armee zusammentrommeln. Wo soll er eine Armee herbekommen, die es mit der Sifs aufnehmen kann? Eine Armee, wie sie mein Vater hatte? Und selbst wenn er es schafft, und wenn ich wie durch ein Wunder Sif in Schach halten kann, was sollte die Sippe der Rashin davon abhalten, die Situation auszunutzen und uns beiden Roisinan wegzunehmen? Es ist mein Land, mein Erbe – aber werfe ich es den Wölfen vor, nur damit ich es mein eigen nennen kann?«
»Es hat immer dir gehört. Und was die Armee betrifft ... ja, Sifs ist ausgebildet und ihm treu ergeben, aber wenn sie erfahren, dass du lebst und ...«
»Sie wussten, dass ich lebe, und haben ihm nach dem Tod meines Vaters trotzdem geholfen, Miranei einzunehmen. Dieses Wissen hat sie
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