Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rückkehr der Königin - Roman

Die Rückkehr der Königin - Roman

Titel: Die Rückkehr der Königin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
war nicht tief, aber lang, von der Innenseite des Ellenbogens bis zum Handgelenk. Doch schienen keine größeren Blutgefäße durchtrennt zu sein. Trotzdem gab es viel Blut, von dem schon einiges geronnen war und eine Kruste bildete, unter der immer noch Blut austrat. Kieran säuberte alles, soweit er konnte – zweimal löste er wieder stärkere Blutungen aus, die er zuvor gestillt geglaubt hatte. Schließlich musste er die Notdruckpunkte anwenden, die er von Madec gelernt hatte, dem Heiler aus seiner Truppe. Wissen, im Kampf erlernt, von dem er nie geglaubt hätte, dass er es je bei Anghara Kir Hama, aus dem Königshaus von Roisinan, anwenden müsste. Dann verband er die Wunde mit einem sauberen Stück Leinen. Während seiner Behandlung hatte sich Anghara nicht gerührt, nicht einmal den schwarzen Dolch losgelassen. Sie schien in einem quälenden Traum gefangen und warf den Kopf von der einen auf die andere Seite – oder schlief sie? Auf ihrer Stirn stand ein dünner Schweißfilm.
    Nach Kheldrin war es noch ein weiter Weg.
    Kieran saß am Feuer und ließ Anghara nicht aus den Augen, die unruhig schlief. Er fand unter seiner Hand einen kleinen Zweig Wüstensalbei und rollte ohne nachzudenken die Blätter zwischen Fingern und Handfläche und entließ den Duft in die Wüstennacht. Dabei erinnerte er sich ... und seine Angst wuchs.
    Anghara hatte sich geirrt. Die Götter waren gekommen, die alten Götter, die Kieran nicht kannte. Er hatte ihren Atem auf dem Gesicht gespürt, als er aus dem Schlaf hochgefahren war. Sie hatte sie gerufen, und sie waren gekommen, wild, frei, gefährlich – Götter, die seit mehr Generationen, als jemand sich erinnern konnte, nicht mehr auf der Ostseite der Berge Kheldrins gewandelt waren. Aber jetzt waren sie hier, und sie, die sie gerufen hatte, hatte keine Kraft mehr, sie zu kontrollieren. Kierans Seele gefror zu Eis, als er spürte, wie gierige, unmenschliche Augen das Mädchen betrachteten, das sich im Griff eines bösen Albtraums im erbärmlich kleinen, aber sicheren Kreis des erlöschenden Lagerfeuers wand.

6
    Kieran hatte sich vor dem Morgen gefürchtet, aber Anghara erwachte völlig klar – allerdings konnte sie die Ereignisse der vergangenen Nacht nicht ganz verdrängen, nicht mit einem schwarzen Dolch an dem geronnenes Blut klebte in einer Hand und einem verbundenen Arm. Nachdem sie das stumm betrachtet hatte, begegnete sie Kierans Blick aus leicht misstrauischen blauen Augen. Dann lachte sie unerwartet.
    »Schon gut, ich bin nicht gefährlich«, sagte Anghara mit einem schelmischen Lächeln. Sie fuhr probeweise mit der Hand über den Boden zu ihren Füßen; aber er war zu hart, um den Dolch nach Wüstenart zu reinigen, indem man die Klinge einfach in den Sand stieß. »Haben wir etwas, um das sauber zu machen?«
    Kieran reichte ihr einen Stofffetzen. »Eigentlich will ich dich das gar nicht fragen«, sagte er vorsichtig. »Aber was wolltest du gestern Nacht tun?«
    Sie antwortete ohne ihn anzuschauen, beugte sich nur über ihre Klinge. »Ich habe versucht, etwas zu beweisen«, antwortete sie. Er konnte nicht sehen, wie sie vor Schmerz das Gesicht verzog, hörte es aber aus ihrer Stimme heraus. »Aber weshalb ich dafür die vergangene Nacht ausgesucht habe, kann ich dir nicht sagen. Ich habe aber bewiesen ... dass es mich immer noch krank macht ...«
    »Was hast du bewiesen?« Er stand auf. »Geht es dir gut?«
    Da blickte sie auf und lächelte wieder. »Nein, Kieran.« In ihren Augen war Schmerz; ihre Stimme war sanft, aber vor Qual rau. »Ich frage mich«, fuhr sie mit großen Augen fort, die irgendwohin jenseits des Horizonts gerichtet waren. »Ob er wusste, wie tief er mich verwundet hat ...«
    Er . Sif. Das Gespenst, das ihnen nach Shaymir gefolgt war. Kierans Augen verdunkelten sich. »Aber du hast ...«
    Nach einem Herzschlag Schweigen konzentrierte sich ihr Blick auf ihn. »Was habe ich?«
    Aber Kieran hatte es sich bereits anders überlegt. Jetzt war vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt, ihr zu sagen, was er gestern Nacht gespürt hatte. »Nein, nicht wichtig. Möchtest du frühstücken?«
    »Ich könnte keinen Bissen herunterbringen«, sagte sie schwach.
    »Wir haben einen langen Tag vor uns«, sagte er und klang wie eine Mutter, die ihr trotziges Kind ausschimpft. »Du musst bei Kräften sein.«
    »Nun gut«, meinte sie nach kurzem Zögern. »Ich versuche es.«
    Sie aß nicht viel, und Kieran zwang sie auch nicht. Anghara schien morgens immer am schwächsten zu

Weitere Kostenlose Bücher