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Die Rückkehr der Königin - Roman

Die Rückkehr der Königin - Roman

Titel: Die Rückkehr der Königin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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wirkte zerbrechlicher und erschöpfter als zuvor – aber dennoch völlig unbeugsam. Alter Stahl, hervorragend geschmiedet. Kieran verneigte sich vor ihr voller Respekt, obgleich sie ihn nicht sehen konnte.
    »Es ist zu viel zerbrochen. Ich allein bin zu schwach, um all das zu tun, was nötig ist«, sagte ai’Jihaar und legte eine Hand liebevoll auf Angharas Scheitel. »Im Turm gibt es Dinge, die ich hier nicht habe. Trotzdem ... ich lasse sie äußerst ungern allein nach Al’haria reiten, aber ich kann sie nicht begleiten ...« Sie schnalzte mit der Zunge. »Nun, dann müssen sie eben zu mir kommen. Aber obwohl ich nur wenig getan habe, bin ich so schwach, dass ich sie nicht einmal rufen kann ... du musst zum Turm reiten, al’Tamar. Sag ihnen ... nicht zu viel ... Sag ihnen nur, sie sollen die Dinge zusammenstellen, die für ein mar ha’dayan nötig sind. Ein Paar Seidensucher, mit passenden Verletzungen. Bring eine Handvoll sen’en’thari . Keine Weißen, das geht weit über ihre Kräfte. Graue, starke Graue. Und ... ai’Farra.«
    »Sie ist nicht dort«, sagte al’Tamar mit der behutsamen Geduld eines Menschen, der weiß, dass ein Kranker viel vergisst, und man ihm alles wiederholen muss. »Sie ist seit einem Monat in Say’ar’dun.«
    »Ach ja, das hast du bereits gesagt, verzeih mir.« Ai’Jihaars Lippen wurden zu einer schmalen Linie, als sie sich Selbstvorwürfe machte. »Dann sag meinem Bruder, er soll mir die schicken, die während ai’Farras Abwesenheit im Turm das Kommando führt. Ich brauche die stärkste, die der Turm hat. Es handelt sich um einen Notfall. Sag ihm, ich werde Al’harias Turm seine sen’en’thari nicht allzu lang vorenthalten.«
    Nach einem langen Blick auf Anghara stand al’Tamar auf. »Ich breche sofort auf«, sagte er.
    Dann schien sich ai’Jihaar an etwas zu erinnern. Sie hob das Kinn und richtete die leeren blinden Augen auf al’Tamar so deutlich, dass sich Kieran die Nackenhaare aufstellten. »Solltest du überhaupt hier sein, al’Tamar?«, fragte sie betont freundlich.
    Kieran hatte nicht geglaubt, dass die bronzene Haut al’Tamars erröten könnte, aber jetzt sah er es mit eigenen Augen; al’Tamars Wangen glühten wie Poliergold, als er den Kopf senkte. »Rami versteht es.«
    »Ach ja? Das hoffe ich; es hat mir viel Mühe bereitet, diese Verbindung zustande zu bringen«, sagte ai’Jihaar. Es war sofort klar, dass sie und der junge Mann, den sie herunterputzte, verwandt waren, selbst wenn sie nur den trockenen Sinn für Humor teilten. »Grüße Rami von mir und ihre ganze Familie ... und wenn nötig, hast du mein volles Einverständnis, alle Schuld samt deiner plötzlichen Abwesenheit von deiner eigenen Verlobungsfeier auf meine Schultern abzuwälzen.«
    »Das ist bereits geschehen«, sagte al’Tamar ganz ernsthaft. »Allerdings nicht auf deine Schultern. Rami kennt meine enge Bindung an al’Jezraal, und weiß, dass ich dorthin gehe, wohin er mich schickt.«
    »Und er hat dich auf eine wilde shevah in die Kadun geschickt, ja?«, meinte ai’Jihaar mit einem Hauch Zynismus.
    »Nicht sheva «, entgegnete al’Tamar fest und hob den Kopf. »Vielleicht die haval’la einer Königin.«
    Ihre blinden Augen waren noch immer genau auf sein Gesicht gerichtet, als ai’Jihaar nachdenklich den Kopf zur Seite legte. Dann hob sie die Hand zu einem Segen und zugleich zum Lebwohl. »So, dann geh zu al’Jezraal und sag ihm, dass du deine Königin gefunden hast«, sagte sie sehr leise und liebevoll. »Und dann geh zurück zu Rami, ai’Tamar. Finde Raum in deinem Herzen für eine qu’mar’a aus dieser Welt.«
    Al’Tamar zauderte, gab sich jedoch schließlich mit einem langen schmerzlichen Blick auf Angharas Gesicht zufrieden, drehte sich abrupt um und verließ das Zelt.
    Kieran folgte ihm. Von der alten Dienerin war nirgends etwas zu sehen. Auf dem Weg zu seinem ki’thar, das im Schatten angebunden stand, blieb al’Tamar an ai’Jihaars Brunnen stehen und holte eine Kalabasse mit Wasser herauf. Zuerst bot er Kieran an zu trinken, eine wortlose Geste der Anerkennung. Kieran nahm an, trank einen Schluck und gab das Gefäß zurück.
    »Wer ist sie?«, fragte er und blickte wie hypnotisiert zum Zelt zurück. »Sie sieht unglaublich alt aus ... als sei sie schon über neunzig ...«
    Al’Tamar gestattete sich ein winziges Lächeln, das in seinen goldenen Augen tanzte. »Wir sind eine langlebige Rasse. An’sen’thar ai’Jihaar lebt seit fast zweihundert Sommern.«
    Kieran

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