Die Rückkehr der Königin - Roman
eine lang vergangene Erinnerung verfiel und begann Kheldrini zu sprechen, konnte al’Tamar dem in einen Burnus gehüllten Gesetzlosen aus Roisinan nur entschuldigende Blicke zuwerfen. Dieser fühlte sich immer mehr fehl am Platz.
Ansonsten war der Ritt durch die Wüste ereignislos. Als al’Tamar schließlich auf die Silhouetten der Palmen vor dem Wüstenhimmel deutete und erklärte, dass ai’Jihaars Heim dort in dieser Oase sei, überfiel Kieran ein Wechselbad der Gefühle. Erleichterung, Erwartung, Sorge, Beklemmung, ja sogar Furcht. Hier war der Grund, weshalb sie gekommen waren, das Leuchtfeuer, das ihnen so lang den Weg gewiesen hatte; um Angharas willen, betete Kieran, dass ihr Glaube berechtigt sein möge. An die Alternativen mochte er nicht einmal denken.
Doch selbst hier, in einem sicheren Hafen, wo Anghara auf ein Ende ihrer Reise hoffte, legte man ihr Steine in den Weg. Die kleine Karawane wurde von einer alten Dienerin begrüßt, die wild entschlossen vor dem fest verschlossenen Eingang zu ai’Jihaars Zelt Wache stand und sich weigerte, sie einzulassen. Zwischen ihr und al’Tamar entspann sich ein gutturaler Wortwechsel. Kieran verstand nichts, aber der Ärger in al’Tamars Stimme und die Art, wie die Alte mit vor der Brust gekreuzten Armen dastand, die Füße fest auf dem Boden, verrieten ihm, dass ihnen der Zugang zu ai’Jihaar verwehrt wurde.
»Was ist los?«, fragte Kieran schließlich, als das Gespräch ruhiger wurde und er es nicht länger aushielt.
Al’Tamar öffnete seinen Burnus derartig schroff, wie Kieran es bei dem selbstbeherrschten jungen Mann noch nie gesehen hatte. Er blickte Kieran an. »Sie sagt, dass ai’Jihaar sehr krank gewesen ist und jetzt endlich ruht ... und diese Missgeburt eines weiblichen afrit erlaubt nicht, dass ihre Herrin vor Sonnenuntergang gestört wird. Wenn überhaupt.«
Wahrscheinlich wollte al’Tamar nicht witzig sein, aber um Kierans Mundwinkel zuckte es bei seiner bissigen Beschreibung. Als Kieran jedoch den unversöhnlichen goldenen Blick der Alten auffing, war auch ihm nicht mehr nach Lachen zumute, sodass er in Gedanken al’Tamars Worten beipflichtete. Er warf der alten Dienerin einen bitteren Blick zu. »Und was jetzt?«
Einen Moment lang überlegte al’Tamar. »Al’haria«, begann er, »ist nur einen oder zwei Tage von hier.«
Kieran blickte zu Anghara, die mit geschlossenen Augen unsicher auf dem Kamelrücken hin- und herschwankte. Bittere Enttäuschung stieg in ihm auf. »Noch ein Tag?«, fragte er barsch. »Schau sie dir an! Und was gibt es in Al’haria?«
»Einen sen’thar -Turm«, antwortete al’Tamar. »Einer der größten. Und dort ist ...« Unvermittelt hob er den Kopf, und sein Gesicht sah vor Sorge beinahe komisch aus. » Hai! «, murmelte er. »Ai’Farra ist in Say’ar’dun ... wer dort könnte sich um Anghara kümmern?«
Offenbar ließ er den Rest der Welt mental an seiner Frustration teilhaben. Zwei Dinge geschahen gleichzeitig, kaum dass Angharas Name über seine Lippen gekommen war. Erstens setzte Anghara sich mit offenen Augen auf und blickte verwirrt um sich, als reagiere sie auf einen dringlichen Ruf. Zweitens ertönte aus dem Zelt eine schwache aber dennoch entschieden klingende Stimme. Die Arme der alten Dienerin sanken nieder, und ihr Gesicht verwandelte sich in eine mürrische Maske. Erst auf diesen direkten Befehl hin trat sie beiseite. Einen Herzschlag später war al’Tamar von seinem Kamel heruntergesprungen und auf halben Weg zum Zelt. Kieran wollte ihm folgen, aber der junge Kheldrini blieb vor der Zeltklappe stehen und drehte sich um.
»Warte!«, sagte er bittend aber entschieden. »Warte hier mit ihr!«
Das hier war nicht Kierans Territorium. Schon jetzt wurde er höflich, aber bestimmt ausgeschlossen. Er hatte Anghara dorthingebracht, wohin sie gehen musste, aber damit ihre Reise Erfolg haben konnte, musste Kieran sie jetzt diesem Land und seinen Gebräuchen überlassen. Jetzt, am Scheidepunkt, fiel es ihm schwerer als je zuvor, das zu akzeptieren. Mit zusammengebissenen Zähnen glitt er vom Kamel und half Anghara abzusteigen. Dann führte er sie in den Schatten der Palmen neben einem kleinen Teich mit braunem Wasser. Sie ging ohne Murren mit, ließ sich wie ein Kind führen.
Wie ein Kind ...
Erneut wurde er von widersprüchlichen Gefühlen überfallen, als er sie in den Schatten setzte und neben ihr stehen blieb. Er betrachtete ihr aristokratisches Profil und versuchte dabei, sie vor Gefahren zu
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