Die Rückkehr der Königin - Roman
Anghara in seine Arme und rannte zur Koppel der ki’thar.
Das Gatter stand offen – dank al’Tamar – aber keines der ki’thar war gesattelt. Vielleicht konnte man sie auch so reiten, wenn man wusste, wie. Kieran hatte keine Zeit, um nach dem richtigen Zaumzeug und Sattel zu suchen. Ai’Dailehs dun erschien ihm besser geeignet.
»Tut mir leid«, sagte Kieran, als er das weiche Maul rieb, ehe er ein provisorisches Zaumzeug aus einem Strick anlegte und mit Anghara in den Armen auf den bloßen Rücken des Pferdes hinaufkletterte. Er war sich nicht sicher, bei wem er sich entschuldigte – bei Anghara, weil er sie von der vielleicht letzten Chance auf Heilung fortbrachte; bei dem dun für den unausweichlichen langsamen Tod in der offenen Wüste; vielleicht sogar bei ai’Daileh, deren Schatz er stahl. Das Pferd schnaubte, als es das doppelte Gewicht auf dem Rücken und die fremden Reiter spürte, die es zwangsläufig tragen musste. Aber Kieran hatte schon immer ein Händchen für Pferde gehabt, und diese exotischen dun’en aus Kheldrin waren in einem Punkt nicht anders als die Tiere, die er in Roisinan geritten hatte – ai’Dailehs Pferd vertraute den feinfühligen Händen, die es führten, und gehorchte. Das Tier trottete ruhig mit den beiden Reitern durch das Gatter des Pferchs und verschwand in der Wüstennacht. Seine blonde Mähne schimmerte im hellen Licht der Sterne.
Kieran war bitter bewusst, dass er sie eigentlich gleich hätte umbringen können. Wenn Anghara, die mehr über die Wüste wusste als er, nicht zu sich kam – und zwar bald – waren sie einem grauenvollen Schicksal ausgeliefert. Es war unwahrscheinlich, dass vorüberziehende Nomaden so gut Roisinanisch sprachen wie die sen’en’thari , selbst wenn man sie überreden konnte, einem fram’man zuzuhören ohne wegzulaufen. Wenn es ihnen nicht gelang, um Hilfe zu bitten, waren sie tatsächlich ganz auf sich gestellt. Kieran wusste nicht, wo er nach Wasser suchen sollte. Er würde nur ein Wasserloch tiefer ausheben können, sollten sie zufällig auf eines stoßen. Außerdem hatte er zum Glück keine Ahnung von dem Grundsatz der Wüste, dass hier das Wasser immer jemandem gehörte und man um Erlaubnis bitten musste, bevor man davon nahm, und man dafür bezahlen musste. Selbst wenn er versucht hätte, zurück in die Berge zu reiten, war da kein al’Khur mehr, der über sie wachte. Sie hatten keinerlei Proviant, nichts außer einem Pferd, dessen Kraft nachlassen würde, ehe sie die halbe Strecke bewältigt hätten, außerdem eine junge Frau, die immer noch sehr geschwächt war von den Kraftstrudeln, die um sie herum tobten. Sogar Kierans Schwertgurt war noch in der Oase – ihre einzige Waffe war der kleine Dolch, den er im Stiefel verborgen bei sich trug. Ohne Burnusse würden sie eine leichte Beute der Wüstensonne werden.
»Ich muss nochmal zurück«, murmelte Kieran, als ai’Jihaars hai’r hinter den schützenden roten Felsen verschwunden war.
Aber vorher brauchten sie einen Platz, wo sie sich verstecken konnten ... und das schnell, vor Morgengrauen, ehe die Sonne herauskam und sie mit der unerträglichen Wüstenhitze zu Boden drückte. Doch wie es schien, hatten die Götter sie nicht ganz verlassen – oder es war schieres Glück. Gerade als der Himmel langsam heller wurde, entdeckte Kieran einen schmalen schwarzen Spalt in einer roten Steinsäule. Er konnte kaum an die Möglichkeit einer Galgenfrist glauben, nachdem er schon so verzweifelt gewesen war. Kieran trieb das Pferd näher und sah, dass der Spalt zu einer kühlen, flachen Höhle im Stein führte. Er war gerade breit genug, dass sie hineinschlüpfen konnten. Das Tier war darüber nicht glücklich, ging aber hinein, allerdings unter lautem Protestschnauben.
»Hast du das von den ki’thar’en gelernt?«, fragte Kieran das edle Pferd und rieb ihm liebevoll das Maul, nachdem sie in der Höhle waren. Das dun leckte ihn hoffnungsvoll, und Kieran lächelte traurig. »Tut mir leid, Freund. Nichts. Ich würde ja mit dir teilen, wenn wir etwas hätten. Später gehen wir zurück, du und ich, und dann – vielleicht –, wenn wir Glück haben, können wir uns beide holen, was wir brauchen.«
Das Einzige, was Kieran in der Eile der Flucht hatte an sich raffen können, war eine Pferdedecke, die auf dem Zaun der Koppel gehangen hatte. Jetzt legte er sie für Anghara auf den kühlen Sand. Als er sah, wie sie unkontrollierbar unter dem Griff von dem, was sie in den letzten Minuten des
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