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Die Rückkehr der Königin - Roman

Die Rückkehr der Königin - Roman

Titel: Die Rückkehr der Königin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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strahlten, bis nichts mehr in der Welt war außer dem Leuchten dieser Macht – ein weißgoldenes Gesicht, umrahmt von einer Wolke rotgoldenen Haares und einer zarten Berührung der riesigen weißen Schwingen.
    Auf einmal spürte er einen scharfen Schmerz in der Hand, wo er sich einst mit dem schwarzen Dolch verletzt hatte, als er die jetzt verschwundenen Götter angefleht hatte, nicht ein Opfer von der zu verlangen, die zu schwach war, es zu geben. Er spürte, wie etwas Warmes an seinen Fingern herabfloss. Ohne nachzuschauen wusste er, dass die alten Götter Kheldrins ein letztes Opfer forderten – aber schließlich war es Blut, das er willig angeboten hatte. Anghara hatte ihren Griff um seine Hand verstärkt, und das Licht strahlte noch goldener als zuvor. Nein. Kein Blut. Niemals wieder. Nicht für den To d.
    Jetzt konnte sie Forderungen stellen. Jetzt endlich konnte sie ihre Überzeugung durchsetzen, wegen der sie vor Jahren abgelehnt hatte, eine an’sen’thar zu werden. Dieselbe Überzeugung, mit der sie Kheldrin ein zweites Orakel gegeben hatte, und die es den alten Göttern nur erlaubte, sich zu nähern, wenn sie den Ritualen abschworen, die sie zu dem gemacht hatten, was sie waren. Und jetzt hier in der Wüstenhöhle entschied sich ai’Bre’hinna so zu heilen, wie Anghara Kir Hama einst in einer hai’r am Rande der Beit el’Sihaya geheilt hatte – sauber, instinktiv, indem sie mit purer Willenskraft eine Wunde wieder unversehrt sah. Mit ihrer Macht. Die Schmerzen verschwanden; selbst das Blutgerinnsel an Kierans Finger war innerhalb eines Atemzugs verschwunden. Dann, ganz ohne Vorwarnung war er befreit und schwerelos. Die weißen Schwingen hoben sich empor, das goldene Licht floss aus ihm heraus. Einen Moment lang war er blind, sah nichts außer Dunkelheit, so als habe er einen dunklen Raum betreten, nachdem er direkt in die Sonne geblickt hatte. Er spürte eine stützende Hand, und diese war zu zartgliedrig, als dass sie Anghara gehören konnte.
    »Es geht mir gut«, flüsterte er. Seine Stimme klang selbst in seinen eigenen Ohren fremd. Mit einem leichten Druck der Hand gab ihm al’Tamar ein Zeichen, dass er ihn gehört und verstanden hatte, traf jedoch keinerlei Anstalten fortzugehen. Kierans Versicherung reichte offensichtlich nicht aus, um über die Schwäche seines Körpers hinwegzutäuschen.
    Als Kierans Sinne zurückkehrten, wenngleich undeutlich, sah er, dass die Göttin, die sie ai’Bre’hinna nannten, noch bei ihnen war – doch nun war sie ein reales Wesen, sehr viel körperlicher als die schöne Vision. Sie hielt die Hände über ihre irdische Zwillingsschwester. Anghara wirkte winzig und seltsam verkrüppelt neben ihrer riesigen Inkarnation mit den großen Flügeln. Sie hob die Hände und traf auf die Handflächen der Göttin. Sie berührten sich; Anghara schrie auf – ob aus Schmerzen oder Freude war schwer zu sagen. Die Luft draußen waberte in perligem Licht, Glocken läuteten in der Ferne, eine Erinnerung an ein Land, weit entfernt von diesem roten Sand. Und dann war es vorüber – das Feuer flackerte, das Räucherstäbchen brannte bis auf einen rauchenden Stummel herab, schwacher Mondschein zeichnete sich auf dem Boden der Höhle ab, scharf und dünn wie ein silberner tai’han . Sie, die sie die Wandlerin genannt hatten, war verschwunden. Nur Anghara war hier und kniete neben den Resten des Feuers. Nur einen Moment lang erhaschte Kieran goldenen Schein, der ihren Kopf bekränzte – ein Abschiedsgeschenk der Göttin. Dann war er wieder in seinem Körper, hatte seine Sinne wieder, und die Auren, die das Seelenfeuer derer mit dem Zweiten Gesicht waren, blieben seinen stumpfen menschlichen Augen wieder verborgen.
    Er war so lange stark geblieben, als Anghara es nicht sein konnte; jetzt schien sich die Situation ins Gegenteil verkehrt zu haben. Es bedurfte großer Willenskraft, dass Kieran sich aufrichtete und gerade saß; jeder Knochen, jeder Nerv und jede Sehne seines Körpers schrie Protest. Anghara dagegen war wie verwandelt. Sie saß mit hoch erhobenem Kopf und gestrafften Schultern da. Es war das erste Mal, dass Kieran die Königin, für die er so viel riskiert hatte, im vollen Glanz ihrer Macht sah. In diesem Moment war sie Kir Hama und königlich. Dann drehte sie sich zu ihm und streckte ihm die Hand entgegen. Die Welle plötzlicher Schwäche hatte nur wenig mit der Feuerprobe zu tun, die er gerade durchgemacht hatte. In ihren Augen stand Sorge, als sie ihn stumm anschaute

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