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Die Rückkehr der Königin - Roman

Die Rückkehr der Königin - Roman

Titel: Die Rückkehr der Königin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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irrational. Ein Teil von ihm kannte die Szene, die sich jetzt abspielen würde – mit bitterer Deutlichkeit. Er konnte alles sehen – das Überreichen, Angharas Tränen, die im Feuerschein glänzten. Es war eine ganze Welt, die Anghara und ihr Paladin der Wüste teilten, eine Welt, aus der Kieran vollkommen ausgeschlossen war – er wollte kein Zeuge dieser Szene sein, da dort Dinge vor sich gingen, die jenseits seines Verständnisses waren. Er spürte vielerlei gemischte Gefühle, am tiefsten ging irrationale Eifersucht. Er hatte die Größe bewiesen, ihnen zu geben, wozu er imstande war. Das bedeutete jedoch nicht, dass er die Kraft hatte, die Ausführung mitanzusehen, selbst wenn er wusste, dass zwischen al’Tamar und Anghara nie mehr sein würde als gemeinsame Erinnerungen. Aber diese – bei sämtlichen verschwundenen Göttern – waren mächtig genug.
    Irgendwie war die Pferdedecke auf Kierans Schultern gewandert, und er war dankbar dafür, denn die Wüstennacht war empfindlich kühl. Ein schwacher Heulton lag in der Luft, wie der ferne Ruf einer Todesfee – wie hatte Anghara das genannt? Das Lied der Geister ... el’la afrit? Er hatte die Erklärung fast vergessen, sie war untergegangen in all der Verwirrung über ai’Jihaars und dann al’Tamars Ankunft. Wie lebendig die Geister zurückkehrten, eine vergessene Erinnerung, die ein Heim suchte. Anghara hatte etwas gesagt ... etwas über den Wechsel des Wetters. Als Kieran sich daran erinnerte, blickte er instinktiv zum Himmel empor; doch Wüstenwolken waren selten Vorboten einer Veränderung. Die Erinnerung an den Moment, als er dieses Geräusch zum ersten Mal gehört hatte, war so stark, dass Kieran nicht gleich begriff, dass die Laute eines sich nähernden ki’thars real waren und nicht von seiner Erinnerung heraufbeschworen. Doch dann fand er sich von Angesicht zu Angesicht mit einem verschleierten Reiter mit goldenen Augen, der ihn leidenschaftslos vom hohen Sitz des Sattels auf seinem ki’thar betrachtete. Ihm stockte der Atem.
    Ein ruhiger Befehl durchbrach die Stille. Das ki’thar kniete nieder, und der Reiter stieg ab. Unter der djellaba glänzte Gold; in der Hand des Ankömmlings blitzte ein Dolch mit schwarzem Heft. Aber nicht ai’Daileh stand vor ihm. Es war eine andere an’sen’thar .
    Kieran hatte genügend Geistesgegenwart, sich zuerst zu bewegen. Er erinnerte sich an den Gruß der Wüste und führte die Hand an Herz, Lippen, Brauen und verneigte sich tief. Der Dolch senkte sich ein wenig.
    »Auch wenn du unsere Sitten und Gebräuche kennst, bist du noch immer ein fram’man «, erklärte die Frau, deren Gesicht noch von ihrem Schleier verhüllt war. »Bist du der, den sie suchen?«
    Kieran richtete sich auf und hob das Kinn. »Der bin ich.«
    Sein Schwert war noch in der Höhle; doch selbst wenn er es griffbereit gehabt hätte, bezweifelte er, dass er es hätte schwingen können. Seine Finger fühlten sich an wie aus Gummi. Doch nach seinem Bekenntnis ließ die an’sen’thar den Dolch sinken, anstatt ihm die Klinge zwischen die Rippen zu stoßen. »Dann zu Anghara.«
    Kieran blinzelte verblüfft und zeigte sein Einverständnis mit einem kurzen Nicken.
    »Ich nehme an, diese hier gehören zu ai’Jihaar und ihrer Eskorte«, sagte die Frau und löste ihren Burnus. »Wo sind sie?«
    Kierans Augen flogen zu der Höhle hinter ihm. Die an’sen’thar lächelte ein wenig hämisch.
    »Keine Sorge, ich will niemandem etwas tun – ai’Daileh ist eine größere Närrin als ich bisher dachte«, meinte sie bissig. »Von Rechts wegen sollte ich diejenige sein, die man aus dem Turm holt, um diese Angelegenheit hier zu regeln; dann hätten wir jetzt nicht diese Schweinerei. Aber die Götter wollten es anders ...«
    Kieran war klar, dass er etwas tun sollte, um diese unerwartete Besucherin davon abzuhalten, unangemeldet hineinzugehen, aber er hatte keine Ahnung, was das hätte sein sollen. Sie gab ihm kaum eine Chance, sondern raffte ihre djellaba und rauschte in die kleine Höhle mit so königlicher Haltung, dass es selbst Anghara gut zu Gesicht gestanden hätte. Kieran konnte ihr nur folgen und schwören, dass das das letzte Mal war, dass er sich so übertölpeln ließ. Das Zusammensein mit Anghara erklärte ein wenig, dass er ständig von Ereignissen überrascht wurde, aber es rechtfertigte nicht alles. Er hätte mit Überraschungen rechnen und auf der Hut sein müssen.
    Beinahe hätte er den Gegenstand seiner heftigen Schwüre über den

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