Die Rückkehr der Königin - Roman
konzentriert die Stirn. »Wenn er kommt ... bringt er alles mit, was er hat. Er muss. Er kommt, um dich zu vernichten. Und hinter sich lässt er alles weit offen – Roisinan, Miranei. Für Favrin, wenn der klug genug ist, um die Gelegenheit beim Schopf zu packen ... für dich. Damit du es beanspruchst.«
Anghara drehte sich zu ihm, ihre Augen waren beinahe vorwurfsvoll. »Und dieses Land?«, fragte sie. »Soll Kheldrin Geisel für meine Freiheit sein und der Preis für meine Krone?«
Bei diesen Worten drückte ai’Jihaar Angharas Hand. Dann ließ sie sie los und trat zurück. Doch al’Talmar ergriff mit blitzenden Augen das Wort.
»Nicht als Geisel«, erklärte er stolz mit hoch erhobenem Kopf. »Sif Kir Hama wird es unter Schmerzen erfahren. Dieser Preis ist zu hoch für ihn.«
»Er hat eine Armee ... eine Armee, die bereit ist, für ihn zu sterben«, flüsterte Anghara.
»Dazu könnte es sehr gut kommen«, meinte ai’Jihaar. »Wir hatten früher schon Invasoren ... aber niemand ist lang genug geblieben, um mehr als ein paar Zeilen im Archiv zu füllen. Sif hat keine Ahnung von Kheldrin. Wahrscheinlich ist ihm nicht klar, dass er in diesem Land einen Feind hat, der selbst für ihn eine Nummer zu groß ist, ein Bissen, an dem er ersticken wird.«
»Welchen Feind?«, fragte Anghara immer noch leise, aber in ihren Augen war ein Funke, der diese im Feuerschein fast silbern leuchten ließ.
»Die Wüste«, erklärte ai’Jihaar und lachte unvermittelt. Ihr Lachen fiel in das erwartungsvolle Schweigen wie Glasscherben. »Die Wüste kämpft für uns.«
Teil zwei
Anghara
12
Eine Woche lang glitt das kleine Kheldrini-Segelboot an dem üppigen Ufer entlang, das Kieran nur wenig an die heiße Wüste erinnerte – aber jedes Mal, wenn er über den schmalen Wasserstreifen zwischen Boot und Ufer hinwegschaute, erhob sich Kheldrin und verfolgte ihn. Besonders die Abschiedsworte, mit denen Kheldrins an’sen’thari sie an den Kais von Sa’alah entlassen hatten; Worte, die in Anghara eine Idee reifen ließen – etwas, auf das sie bisher noch nie gekommen war.
»Ich habe eine Botschaft von Gul Khaima für dich«, hatte ai’Farra gesagt. »Seit Monaten trage ich sie mit mir. Ich wusste, du würdest zurückkommen.«
»Noch eine Reihe von unverständlichen Dreizeilern?«, hatte Anghara ziemlich frivol gefragt. »Ich bin immer noch dabei, die Bedeutung der ersten Prophezeiung zu enträtseln.«
»Nein, nichts dergleichen. Etwas, das ai’Raisa mir gesagt hat, als ich das letzte Mal beim Stein war. Ein einziger Satz.«
»Nun, wie lautet er?«, fragte Anghara nach einem kurzen Moment erwartungsvollen Schweigens.
»Nur das: Die verlorene Königin soll in der Kristallenen Stadt vorsichtig sein.«
Kieran hatte Angharas Gesicht beobachtet. Als ai’Farra die Worte sagte, blieb es völlig ausdruckslos – doch nicht lange. Angharas Augen blickten eigenartig fragend.
»Bedeutet das irgendetwas?«, hatte ai’Farra gefragt; ihre Stimme klang gleichgültig, aber Kieran war nicht so leicht hinters Licht zu führen.
»Vielleicht«, hatte Anghara gesagt und behielt ihre Gedanken für sich.
Wenn ai’Farra gehofft hatte, Anghara würde die Bedeutung enthüllen, ehe sie Kheldrin verließen, wurde die an’sen’thar enttäuscht – selbst Kieran, der die Worte eigentlich sofort hätte verstehen müssen, war überrascht worden – wieder einmal und entgegen all seiner Schwüre. Nachdem sie den Hafen von Sa’alah verlassen hatten, steuerte Anghara den Bug des kleinen Segelboots nach Süden anstatt nach Osten.
Die Kristallene Stadt. Algira. Tath.
»Du denkst doch nicht etwa daran, direkt in Duerin Rashins Halle reinzuspazieren?«, hatte Kieran fassungslos gefragt.
»Nein«, hatte Anghara geantwortet. »Nicht zu Duerin. Schon lang herrscht Duerin in Tath, obwohl in Wirklichkeit ein anderer regiert.«
»Favrin? Du hast vor, dich mit Favrin anzulegen?«
»Erinnerst du dich nicht daran, was Feor in Cascin gesagt hat?« Tränen glitzerten einen Moment lang in ihren Augen. »Favrin – hat er gesagt –, sei gefährlich, gerissen und stark. Wenn Favrin an die Macht kommt, steht Roisinan vor der Wahl: Krieg bis aufs Messer oder eine Art Abkommen.« Sie lächelte. »Ich werde ihm ein Abkommen anbieten«, sagte sie. »Ehe ihm klar wird, was Sif plant, und er den Krieg wählt. Einen Krieg, den er gewinnen kann.«
»Das ist Wahnsinn«, entgegnete Kieran. »Allein?«
»Ich habe doch dich, oder?«, sagte sie. Die Worte waren
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