Die Rueckkehr der Phaetonen
Aber es war bereits zu spät - jetzt würde sich Wolgin um nichts in der Welt von dem Bild trennen, das ihm sowohl Schmerz als auch Freude brachte und an das er sich so gewöhnt hatte. Er hatte bereits beschlossen, den Maler zu finden, der dieses Bild erschaffen hatte, und ihn zu bitten, einige Details zu verändern, darunter den Gesichtsausdruck, der überhaupt nicht mit Irinas Charakter übereinstimmte. Sie war niemals so gewesen wie auf diesem Bild — so sehr in die eigene Gelehrigkeit zurückgezogen, eine strenge Priesterin der Wissenschaft. Und ein anderes Detail war für Wolgin besonders unangenehm — auf Iras grauem Kleid glitzerte der goldene Heldenstern.
»Konnten sie sich denn nicht über ihre Lebenseinzelheiten erkundigen?«, dachte er verärgert. >Sie hat doch niemals den Stern tragen können, weil sie post mortem ausgezeichnet wurde!«
Der Stern an Irinas Brust, genau der gleiche wie der, den er selbst trug, betonte die Differenz zwischen ihnen noch mehr. Sie war gestorben, ohne zu wissen, dass sie mit der höchsten Auszeichnung gewürdigt wurde, und er selbst lebte und die gesamte Welt verehrte ihn wie einen Helden aus den vergangenen Zeiten.
Sie war tot, und er lebte!
Dieser Gedanke wurde für Wolgin immer unerträglicher.
Mit dieser Tat, die von den gütigsten Gefühlen geleitet war, hatte Lucius genau das erreicht, was sowohl er selbst wie auch Io am meisten gefürchtet hatten - er hatte in Wolgin die schmerzhaften Erinnerungen an die Vergangenheit, die inzwischen fast verschwundenen waren, wieder erweckt. Und dabei war es ihm kein einziges Mal in den Sinn gekommen.
Einmal, als Wolgin Lucius vermisste und ihn ans Teleoff rief, fragte Lucius scheinbar nebenbei, ob Wolgin daran denke, seine Reise irgendwann fortzusetzen. Der Ton der Frage war scherzhaft und Wolgin bemerkte daran nichts Ungewöhnliches. »Ja«, sagte er, »in den nächsten Tagen fliege ich nach Moskau. Es ist aber schwer, mich von Leningrad zu trennen.«
»Ist es schwer für dich, dort zu leben?«
»Nein, nicht schwerer als es woanders sein würde. Es war schön in Muncius’ Haus«, entfuhr es Wolgin. »Dort bin ich manchmal sogar glücklich gewesen.«
Lucius sah seinen »Sohn« forschend an. »Willst du damit sagen, dass du dich jetzt unglücklich fühlst?«
»Nein, aber ziemlich einsam. Was mir fehlt, ist ein Freund, ein Gefährte, der mich gut verstehen würde. Einer, der alle meine Gefühle begreifen und mit mir teilen könnte. Mary und Wladilen sind wunderbare Menschen, ich mag sie wirklich sehr, aber... sie können mich nicht immer verstehen. Sie sind doch so viel jünger als ich... Alle mögen mich«, fuhr er traurig fort, »alle sorgen sich um mich, alle versuchen, es mir an nichts fehlen zu lassen. Und wenn um einen herum nur Freunde sind, dann gibt’s unter ihnen keinen richtigen. Weißt du«, fügte er lächelnd hinzu, »manchmal ärgert mich diese Aufmerksamkeit sogar.«
»Hältst du eigentlich den Tagesplan ein, den ich dir vorgeschrieben habe?« fragte Lucius plötzlich. »Machst du noch die Wellenbestrahlung?«
»Hast du etwa Angst, dass mit meinen Nerven etwas nicht stimmt? Ja, ich mache alles, und zwar sehr akkurat. Wladilen kann das bestätigen.«
Die letzten Worte kamen eher automatisch heraus. Wolgin wusste genau, dass Lucius nicht einmal daran denken würde, an seinen Worten zu zweifeln.
»Ich glaube, du solltest aus Leningrad wegfahren«, sagte Lucius. »Dein Heimatort wirkt sich auf deinen Gemütszustand aus und du selbst kannst es nicht sehen.«
»Ich denke nicht«, erwiderte Wolgin. »Aber ich fahre weg, und zwar sehr bald.«
Am nächsten Morgen sagte er Mary und Wladilen, dass er weiter reisen wolle. Die jungen Leute waren sichtlich erfreut. »Und wann fliegen wir?«, fragte Mary.
»Morgen«, entschloss sich Wolgin plötzlich. »Heute fliege ich zum letzten Mal in den Park. Und dann ab nach Moskau! Habt keine Angst, ich werde mich nirgendwo mehr so lange aufhalten.«
»Wir haben es nicht eilig«, sagte Wladilen. »Du kannst dich aufhalten, wo du willst, und solange du willst.«
In einem zufälligen Gespräch hatte Wolgin zu Mary gesagt, der Stern an Irinas Brust ärgere ihn, und erklärt, warum es so war. Und heute sah er auf einmal keinen Stern mehr auf dem Bild - er war übermalt, und zwar so kunstvoll, dass man nicht die geringste Spur von ihm sehen konnte. »Wer hat das denn gemacht?«, fragte er.
»Ich«, sagte Mary. »Warum? Ist es denn so schlecht?«
»Im Gegenteil, es ist sehr
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