Die Rueckkehr der Phaetonen
daraufhin. »Du warst allein - und das bedeutet immer sehr viel. Und außerdem glaube ich, dass die Art, auf die du in diese Welt gekommen bist, sich schon auf die Psyche ausgewirkt hatte ... Bei uns ist es anderes - niemand von uns war tot, wir leben alle weiter. Das ist ein großer Unterschied.«
»Hast du denn keine Angst, mit einer ehemaligen Leiche in einem Zimmer zu leben?« Wolgin schmunzelte.
Während eines Spaziergangs im Park befragte Stanislawskaja Wladilen über die U-Bahn. Dieser wusste nichts darüber, aber ein Mann, der gerade vorbei ging, hatte die Frage gehört und kam zu ihnen. »Ich kenne die Transportgeschichte sehr gut«, sagte er. »Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen über die U-Bahn erzählen.«
»Natürlich wollen wir das«, antwortete Wolgin.
Er wusste selbst nichts von der Leningrader U-Bahn, die an seinem Todestag noch nicht eröffnet worden war. Und jetzt erfuhr er, dass der unterirdische Transport sich bis zur Mitte des einundzwanzigsten Jahrhunderts mit rasantem Tempo entwickelt hatte - die U-Bahn-Linien gingen kreuz und quer durch die gesamte Stadt und alle ihre Vororte. Aber das, was in einem früheren Jahrhundert bequem scheint, kann in einem späteren ganz anders angesehen werden. Für den über- und unterirdischen Transport wurde es immer schwerer, mit dem Luftverkehr zu konkurrieren — bis die Einführung der Arefs in jedem einzelnen Haushalt im dritten Jahrhundert kommunistischer Ära den veralteten Verkehrsmitteln einen letzten Stoß versetzt hatte.
»Und die Tunnel?«, fragte Xenia. »Sie wurden doch für Jahrhunderte gebaut!«
Wolgin übersetzte die Frage.
»Die Tunnel sind immer noch da, genau wie die Stationen. Die U-Bahn funktioniert immer noch — sie ist jetzt voll automatisiert und dient zur Lastenbeförderung.«
»Die Stationen müssen wir uns mal anschauen«, sagte Wtorow. »Wäre interessant zu sehen, welche von ihnen nach unserem Abflug noch gebaut wurden.«
Damals hatten sie es aber nicht mehr geschafft, den unterirdischen Rundgang zu machen - etwas später mussten die Kosmonauten zur Ratssitzung fliegen. Wolgin war früher als seine Freunde nach Leningrad zurückgekehrt und schloss sich zunächst im Haus ein - ohne sie wollte er nichts besichtigen. In zwei Tagen würden sie wieder zurückkehren.
Wolgin machte sich fast automatisch wieder ans Lesen.
3
»Weswegen wurde der Phaeton zerstört?
Der Planetenorbit verlief einst genau dort, wo sich jetzt der Asteroidengürtel befindet. Die Astronomen hatten schon seit langem angenommen, dass es zwischen Mars und Jupiter einst einen fünften großen Planeten namens Phae-ton gegeben hatte. (Die Phaetonen selbst nannten ihn Diajna). Man vermutete, dass sich der Asteroidengürtel nach Phaetons Zerstörung aus seinen Trümmern gebildet hatte, und das erwies sich später als richtig. Mehr noch - die Wissenschaf der fanden auch den Grund für die Zerstörung Phaetons heraus.
Himmelskörper bewegen sich immer geradlinig und gleichmäßig, mit konstanter Geschwindigkeit - wenn sie nicht daran gehindert werden. Die Sonne zwingt die Planeten mit ihrer mächtigen Anziehungskraft, auf sich zu fallen, und dabei entstehen zwei Kräfte: die Zentrifugal- und die Zentripetalkraft. Wenn beide Kräfte einander ausgleichen, bewegt sich der Planet auf einer Ellipse, in deren einem Brennpunkt sich die Sonne befindet. Aber wenn eine der Kräfte überwiegt, sieht das Bild ganz anders aus. Die Ellipse verwandelt sich in eine Spirale - wenn die Zentripetalkraft überwiegt, nähert sich der Planet mit jeder Umdrehung der Sonne, und wenn es die Zentrifugalkraft ist, dann entfernt er sich ständig von ihr. Genau das ist mit dem fünften Planeten unseres Sonnensystems passiert - durch die Gesetze der Himmelsmechanik war der Phaeton unvermeidlich dem Untergang geweiht. Seine Bewegungsgeschwindigkeit lag deutlich über der, mit der er auf die Sonne fallen würde.
Aber warum war das so?
War es von Anfang an so gewesen, seit Phaetons Entstehung, oder bewegte sich der Planet zuerst auf einer normalen elliptischen Umlaufbahn und wurde dann durch äußere Einwirkung schneller? Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten. Wir können nicht wissen, was in unserem Sonnensystem in ferner Vergangenheit geschah, als es noch von keinem intelligenten Wesen bewohnt war. Die Astronomen neigen eher zu letzterer Annahme - es wäre möglich, dass die Sonne auf ihrem Weg einen anderen Himmelskörper getroffen hat, der zwar kleiner war als sie selbst, aber
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