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Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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ansah.
    »Im Allgemeinen schon«, lächelte die Erzieherin.
    »Warum im Allgemeinen?«
    »Weil es auch andere Gründe für einen Krieg gab.«
    »Gute Antwort«, sagte Wolgin. »Und nun zum Krieg, an dem ich selbst teilgenommen habe. Er gehörte zum zweiten Typ von denen, die Fee genannt hat. Die Kapitalisten hatten die Sowjetunion überfallen, mit dem Ziel, die Errungenschaften der Revolution zu vernichten, den Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft zu verhindern, den Lauf der Geschichte zu stoppen und umzukehren. Die Eroberer waren äußerst grausam, sie vernichteten Menschen in Hunderttausenden - nicht nur die Soldaten, sondern auch die Zivilbevölkerung.«
    »Warte, Dmitrij«, sagte Fee. »Du sagtest >Soldaten und Zivilbevölkerung.< Das verstehe ich nicht - wenn ein Volk ein anderes überfallen hat, wie kommt es, dass es dann noch die Zivilbevölkerung gibt?«
    Wolgin fühlte, dass er auf die Art nicht weiter sprechen konnte. Seine Zuhörer waren keine Kinder aus vergangenen Zeiten, und das hatte er ganz vergessen. »Die Menschen hatten sich seit je her daran gewöhnt, dass ein Krieg nur von der Armee geführt wurde, also nur von speziell trainierten und bewaffneten Menschen. Alle anderen gehörten zur Zivilbevölkerung und besaßen keine Waffen. Außerdem wurde berücksichtigt, dass die Zivilbevölkerung unantastbar war - nur bewaffnete Menschen konnten sich gegenseitig töten. Ein Streit zwischen zwei Völkern wurde nur von Armeen ausgetragen.« Wolgin musste das russische Wort »Armee« verwenden - in der modernen Sprache gab es dieses Wort nicht. Die Zuhörer hatten ihn dennoch gut verstanden, ansonsten hätten sie ihn natürlich wieder mit einer Frage unterbrochen. »So war es in allen vorherigen Kriegen gewesen«, fuhr er fort, »aber die, die uns überfielen, haben gegen dieses Gesetz verstoßen. Sie fingen an, unbewaffnete Menschen zu ermorden. Ich weiß, dass das Recht auf die Ermordung eines bewaffneten sowie unbewaffneten Menschen für euch gleichermaßen unvorstellbar klingt, aber damals war es nicht so. Der Mord an einem Soldaten im Krieg galt nicht als Verbrechen, die Ermordung eines Zivilisten aber schon. Könnt ihr denn nicht verstehen, dass das Töten im Krieg, so widerlich es auch sein mochte, eine Notwendigkeit war?«, fragte Wolgin, als er Verständnislosigkeit in den Gesichtern seiner Zuhörer sah. »Wenn man euch mit Waffengewalt versklaven will, wird euch nichts anderes übrig bleiben, als sich ebenfalls mit Waffen zu verteidigen — oder euch zu unterwerfen.«
    »Das stimmt aber«, sagte jemand. »Wenn ein Tier angreift, muss man es töten.«
    »Ganz genau, ein Tier«, stimmte Wolgin ein. »Unsere Feinde haben sich nicht wie Menschen verhalten, sondern wie wilde Tiere. Und das gesamte Volk der Sowjetunion hat sich zum Kampf gegen sie erhoben. Der Krieg ist tatsächlich zu einem Volkskrieg geworden.«
    »Genauso sollte es auch sein. Es war doch das gesamte Volk, das überfallen wurde.«
    »Richtig. Der Feind musste um jeden Preis geschlagen werden. In unseren Augen waren es keine Menschen mehr. Ihr wisst doch«, sagte Wolgin, als er fühlte, dass jetzt genau der richtige Moment war, um das Thema anzusprechen, das ihn am meisten beunruhigte, »dass ich eine hohe Auszeichnung erhalten habe - den Heldentitel der Sowjetunion, weil ich selbst viele der Eroberer vernichtet habe, die uns überfallen hatten. Es waren mehr als vierhundert.«
    Wolgin wartete besorgt darauf, wie die Kinder auf seine Worte reagieren würden. Die modernen Menschen verurteilten ihn nicht — eine Straße in Leningrad war nicht umsonst nach ihm benannt worden, und sein Name war auch nicht umsonst in eine goldene Tafel im Pantheon gehauen worden. Er wusste es aus Lucius’, Muncius’ und los Worten. Aber wie würden sich die
    Kinder verhalten? Würde er in ihren Augen vielleicht ein einfacher Mörder sein, der nichts als Verachtung verdiente?
    Ein kleiner Junge in der zweiten Reihe direkt gegenüber Wolgin stand auf. »Man kann die Aufregung in Ihrer Stimme hören, Dmitrij«, sagte er. »Unser Verhalten Ihnen gegenüber beunruhigt Sie, nicht wahr? Wir alle kennen Ihre Lebensgeschichte. Ich sage im Namen aller - ich weiß, dass ich es tun kann -dass wir Sie bewundern. Wenn Sie die natürliche Abscheu zum Mord um der Allgemeinheit willen überwunden haben, wenn Sie ein so schweres moralisches Opfer bringen konnten, dann sind Sie wirklich ein Held!«
    Alle Kinder standen wie auf Kommando gleichzeitig auf und stimmten

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