Die Rueckkehr der Templer - Roman
gehört auch zur Achse des Bösen? «
»Das wüsste ich gerne«, entgegnete Arnaud mit erschöpfter Miene. »Solange wir das nicht wissen, können wir nicht einfach in den Palast hineinspazieren und Gefahr laufen, dass uns jemand vom Königshof oder Angehörige des Ordens begegnen – am Ende sogar Tramelay selbst.«
»Und was hast du jetzt vor?«
»Ich suche uns einen vertrauenswürdigen Boten, der im Palast kein Aufsehen erregt und Montbard in unserem Auftrag eine Botschaft überbringt.«
Arnaud führte Hertzberg direkt ins mauretanische Viertel, dorthin, wo die Hütte von Samira und Jussuf zu finden war. Dabei erklärte er ihm, dass der junge Sarazene ihm schon einmal geholfen hatte.
»Der Junge glaubt, ich gehöre zu seinen Leuten«, gestand Arnaud mit schuldbewusster Miene. »Ich wollte ihn nicht belügen, aber nun gibt es kein Zurück, und solange er glaubt, er dient der Sache der Sarazenen, indem er mir hilft, kann ich mich auf ihn verlassen.«
»Das ist das Einzige, was zählt«, bestätigte Hertzberg und nahm ihm damit jeglichen Zweifel.
Bei Tag sah es unter den Hütten jenseits der Westmauer noch ärmlicher aus als in der Nacht. Hertzberg machte sich offenbar nichts aus bettelnden Kindern und hinkenden Kranken. Er lächelte allen freundlich zu. Obwohl die Vorzeichen denkbar schlecht waren, sog er die Atmosphäre der Stadt regelrecht in sich auf. Besonders interessiert war er an der Architektur und daran, dass vieles nicht mit den Plänen übereinstimmte, die seine honorigen Kollegen von verschiedenen namhaften Universitäten in den USA als unumstößliche Wahrheiten verfasst |498| hatten. Das Verhalten des Professors rief in dieser Gegend, wo Armut und Unterdrückung die Tagesordnung beherrschten, Misstrauen hervor.
»Auffälliger geht’s wohl nicht«, schimpfte Arnaud, der längst die missbilligenden Blicke der Bewohner bemerkt hatte. »Sie werden denken, du gehörst zur Kanzlei von Jerusalem und schaust, was demnächst hier alles abgerissen werden kann, um im Auftrag des Königs neue Ladenstraßen zu errichten.« Von Rona wusste Arnaud, dass Jerusalem seit Jahren eine einzige Baustelle war und ständig Altes Neuem weichen musste, wobei viele arme Bewohner im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke blieben, weil der König oder seine Mutter es so wollten.
»Tut mir leid«, sagte Hertzberg und zog den Kopf zwischen die Schultern, wie eine Schildkröte, die sich in ihrem Panzer verkriecht. »Es ist alles so neu und faszinierend. Und obwohl mein Herz vor Furcht rast, möchte ich nirgendwo anders sein.«
»Wir sind da«, sagte Arnaud unbeeindruckt und klopfte auf die hölzerne Pforte.
Zunächst ließ sich niemand blicken, doch dann wurde die Tür einen zaghaften Spalt geöffnet.
»Samira?« Arnaud versuchte einen Blick auf das Gesicht hinter der Tür zu erhaschen.
Vor Schreck ließ die junge Frau den Schleier fallen, den sie sich vor Mund und Nase gehalten hatte. Als sie gewiss sein konnte, dass der Mann, der vor ihr stand, derjenige war, dem sie vor Tagen den Jilbab ihrer Mutter gegeben hatte, huschte ein Lächeln über ihre Lippen.
»Du lebst«, sagte sie mit Zuneigung im Blick und zog den vermeintlichen Templer am Ärmel seines Gewandes ins Innere der Hütte. Erst da entdeckte sie Hertzberg. »Wer ist das?«, fragte sie argwöhnisch.
»Mein Großvater«, log Arnaud, dem keine bessere Erklärung einfiel.
»Allah sei mit Euch«, begrüßte Samira den Professor und verbeugte sich, während sie gleichzeitig zurückwich, um dem alten Mann die gebührende Ehre zu erweisen. Dann machte sie eine ausladende Geste und bat ihn hinein.
Im Innern der guten Stube bemerkte Arnaud sofort, dass sich seit seiner überhasteten Flucht einiges verändert hatte. Anstatt des kahlen Kalksandsteins bedeckten nun bunte Teppiche aus Samarkand den grob gepflasterten Boden, und eine neue, große Zedernholztruhe stand unter |499| dem einzigen Fenster. Daneben befand sich ein neues, wenn auch einfaches Bett mit einer teuren Kamelhaardecke und einem Federkissen darauf. Wahrscheinlich hatte das Geld, das er den beiden gegeben hatte, all dies möglich gemacht. Nur Jussuf konnte er nirgends entdecken.
»Wo ist dein Bruder?« Arnaud gab sich alle Mühe, entspannt zu wirken.
»In der Schule«, sagte Samira und lächelte. »Jetzt, wo wir das Geld für Papier und Stifte wieder bezahlen können.«
Hertzbergs Blicke schweiften durch den Raum. Es war, als ob er jeden Winkel studieren wollte.
»Setzt Euch doch«, forderte
Weitere Kostenlose Bücher